Beschlüsse des 17. Landesparteitages
An dieser Stelle dokumentieren wir die Beschlüsse des 17. Landesparteitags.
Die Liste wird laufend ergänzt.
Solidarität gegen Rassismus - Entschlossen gegen rechten Terror vorgehen!
Genug für Alle durch Umverteilen!
Für soziale Gerechtigkeit – gegen ethnische Spaltung
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung statt überwiegend Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe
Refugees welcome: Die Gesellschaft handlungsfähig machen, die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen, Rassismus konsequent entgegentreten, Austeritätspolitik ablösen
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 14. November 2015
In den zurückliegenden Jahren wurden die Spielräume gesellschaftlicher Gestaltung und öffentlichen Handelns enger. Staatliches Handeln ist im Zuge neoliberaler Ideologie immer mehr zum bloßen Erfüllungsgehilfen von Marktlogik und vermeintlichen Sachzwängen gemacht worden, an denen demokratische und soziale Anliegen mit Regelmäßigkeit scheitern. Kapitalistische Krisen wurden nach binnenkapitalistischer Logik „befriedet“ oder gar (für z.B. Stellenabbau) „genutzt“, was zu einer Verschärfung statt Umkehr unhaltbarer Problemlagen wie der (globalen und lokalen) Spaltung zwischen Arm und Reich führte. Die Entdemokratisierung hat die zunehmende soziale Ungleichheit geschützt und gleichzeitig politische Teilhabe gelähmt. Regierungspolitik handelte davon, dass „von unten“ nichts zu ändern sei.
Diese Lähmung stößt aktuell an objektive Grenzen: An vielen Punkten wird über eine notwendige Rückgewinnung gesellschaftlicher und politischer Handlungsfähigkeit diskutiert. Mit Streikbewegungen wird wieder für Umverteilung zu den Beschäftigten gekämpft (wie etwa im Frühjahr 2015 mit der „Aufwerten jetzt!“-Kampagne der Sozial- und Erziehungsberufe oder bei der Post oder Bahn), mit massenhaften Protesten gegen TTIP und CETA mobilisiert. Die Flucht- und Migrationsbewegung nach Europa und in Europa wirkt dabei als Katalysator und Wendepunkt. Sie stellt bisherige Grundsätze Austeritäts-beseelten Regierungshandelns zunehmend in Frage und setzt die Notwendigkeit demokratisch gestaltenden Handelns neu auf die Tagesordnung. Es ist kein Zufall, dass in diesem Zusammenhang lange vergessene Themen, die im Widerspruch zu Kapitalinteressen stehen und von der LINKEN seit Jahren eingefordert werden, wieder vermehrt angerissen und ins Spiel gebracht werden: Begrenzung privater Eigentumsrechte (siehe Beschlagnahme von Wohnraum), ausreichende Bereitstellung öffentlicher Finanzen (siehe Infragestellung der Schuldenbremse), bedarfsgerechterer Einsatz von Ressourcen, zukunftsfähige öffentliche Infrastruktur, Unabweisbarkeit sozialer Rechte, Rückbesinnung auf die humanitäre Frage.
Gleichzeitig wird das Bestreben der neoliberalen Kräfte deutlich, diese Verschiebung in der politischen Debatte abzublocken, zu relativieren, womöglich sogar umzukehren in soziale Spaltung und Entsolidarisierung. Um Austeritäts- und Kürzungspolitik zu verteidigen und die Öffnung zu einem wirklichen Einwanderungsland zu verhindern, scheuen diese Kräfte nicht davor zurück, rhetorisch und mit politischen Zugeständnissen auf den rechten Rand zuzugehen. In der Bundesregierung werden die Befürworter einer populistischen „Das Boot ist voll“-Haltung und einer Kriminalisierung von Zuwanderung wieder stärker. Auch eine solche Politik trägt dazu bei, dass rechte Bürgerbewegungen und Parteien, rassistische Redebeiträge im Netz und auf der Straße, gewaltsame Übergriffe gegen Geflüchtete und deren Interessenvertreter*innen gefährlich zunehmen und an Akzeptanz gewinnen.
Rechte Mobilisierungen und neue rassistische Formationen abseits oder unter Mitwirkung klassischer Neonazis bleiben in den kommenden Jahren eine zentrale Herausforderung für DIE LINKE. Nachdem sie lange um die „berechtigten Sorgen und Ängste“ der bei Pegida demonstrierenden herumgeeiert und dem rechten Rand Dialogangebote gemacht hat, findet auch die Große Koalition in den letzten Wochen zunehmend klare Worte für die bei Pegida und anderswo verbreitete menschenverachtende Hetze. Worte allein werden aber nicht viel bewirken, solange die Ziele des Mobs sich anschließend in Gesetzen wiederfinden. Antirassistische Kritik und Praxis muss auf die Zusammenhänge zwischen Ausgrenzung, Ausbeutung und Übergriffen hinweisen und diese als Ganzes bekämpfen. Deshalb muss es in Bremen und Bremerhaven weiter gelingen, breite und nachhaltige Bündnisse gegen Rassismus zu organisieren.
Wir treten entschlossen denen entgegen, die Ängste schüren, Rassismus verbreiten, Abschottung predigen und Gewalt gegen Geflüchtete ausüben, befeuern oder dulden.
Wir laden alle, die sich von der aktuellen Migrationsbewegung verunsichert fühlen ein, die neu nach Bremen gekommenen Menschen kennen zu lernen – Gelegenheiten gibt es genug. Ängste kann man loswerden, indem man das noch Unbekannte kennenlernt.
Wir rufen alle, die sich fragen, wie ein kaputtgespartes Gemeinwesen für die neu dazugekommenen wie die schon hier lebenden sorgen soll, dazu auf, mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Reichtum unserer Gesellschaft zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben herangezogen wird.
Die spontane Willkommensinitiativen des Spätsommershaben sich zu einem beeindruckend großen Teil verfestigt, werden aber in der öffentlichen Wahrnehmung von Zweifeln, ob die Situation noch „beherrschbar“ ist, zunehmend überlagert. Den ehrenamtlichen Helfer*innen wie auch den politischen Kräften, die den Ressentiments und falschen Ängsten ein unverbrüchliches „Refugees welcome“ entgegenhalten, gilt unsere Solidarität und aktive Unterstützung. Gleichzeitig kritisieren wir, wenn substanzielle Leistungen von Ehrenamtlichen übernommen werden müssen, damit sie überhaupt passieren. Hier ist die öffentliche Hand gefragt, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Aufgaben der Grundversorgung auskömmlich zu finanzieren. Dazu gehört auch, die Jugendhilfestandards für unbegleitete minderjährige Geflüchtete einzuhalten und die pädagogischen Fachkräfte in Bremen genauso gut zu bezahlen wie in Bremerhaven und Niedersachsen. Entsprechend notwendig und folgerichtig bleibt unsere Forderung nach einer Steuerpolitik, die Vermögende und Unternehmen stärker belastet und in die Pflicht nimmt. (Zur Erinnerung: Steuerflucht kommt den Staat deutlich teurer als die Aufnahme der Geflüchteten.)
In diesen Auseinandersetzungen muss DIE LINKE sich positionieren, die Verbindung von politischer Vernunft und sozialer Gerechtigkeit herausstellen, in Tagesfragen das Grundsätzliche sichtbar machen, dem Gegeneinanderausspielen von Interessen entgegentreten. Wir treten ein für eine handlungsfähige Gesellschaft und stellen die soziale Frage in den Mittelpunkt.
Migration und Zuwanderung als soziale Bewegung findet jetzt statt
Die aktuelle Bewegung von Menschen über die Grenzen hat viele Gründe und Bestandteile. Neben der Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung gibt es die Flucht vor existenzieller Not und materiellem Elend. Ein weiterer Grund ist, dass Menschen verstärkt ihr Recht auf Bewegung in Anspruch nehmen, um dorthin zu gehen, wo sie für sich und ihre Kinder Sicherheit, Arbeit, Einkommen und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung finden, und dabei Risiken eingehen und Grenzen überwinden. Wir stehen zu diesem Recht auf Bewegungsfreiheit. Wir begrüßen, dass Migrationsrouten aktuell schneller und sicherer passiert werden können als noch zu Zeiten des ‚intakten‘ Dublin-Grenzregimes. Eine tödliche Abschottung der Grenzen darf es nicht geben.
Wenn wir davon reden, Fluchtursachen zu bekämpfen, dann meinen wir jene Ursachen, die es Menschen unmöglich machen, in ihren Heimatländern zu bleiben. Deshalb wollen wir Waffenexporte verbieten, Friedenslösungen fördern, ungerechte und ausbeuterische internationale Wirtschaftsbeziehungen ändern, global wirksame Klimapolitik stärken und eine konsequent an Menschenrechten ausgerichtete Außenpolitik forcieren. Für Bremen fordern wir ein regionales Rüstungskonversionsprogramm, dass militärische Technologie und Produktion zu zivilen Zwecken umnutzt. Kurz: Unsere Kapitalismuskritik ist hier gefragter denn je. Es gibt aber auch andere Gründe, die es Menschen heute leichter machen, sich global zu bewegen: Organisierung und Netzwerke, technische Infrastrukturen, Austausch von Erfahrung, eine entstehende globalisierte Anspruchshaltung auf das Minimum eines guten Lebens. Diese Veränderungen sehen wir positiv. Unser Ziel ist eine Welt, in der Menschen nicht fliehen müssen, aber gehen können, wenn sie es möchten. Deshalb treten wir allen Versuchen einer Militarisierung der Außengrenzen entgegen, ebenso allen Versuchen das Grundrecht auf Asyl einzuschränken und Menschen das Recht auf Bewegungsfreiheit zu verweigern sowie allen Versuchen, in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge zu unterscheiden. Die in der Partei angestoßenen Debatten zur Frage legaler Zuwanderungswege, wie etwa die um ein linkes Einwanderungsgesetz, müssen in der Breite fortgesetzt werden. Wir wollen legale Zuwanderungswege für alle, ohne Punktesysteme und Quoten, mit verbindlichen Verfahren und Ansprüchen, die ein echtes Recht auf Zuwanderung herstellen und es gleichzeitig aufnehmenden Kommunen ermöglichen, sich rechtzeitig auf die entsprechenden Anforderungen einzustellen.
Die derzeitige Migrations- und Zuwanderungsbewegung ist auch eine große Chance. Jahrelang ist im Zeichen der „demografischen Wende“ der Angriff auf öffentliche Infrastruktur und soziale Daseinsvorsorge gefahren worden. Damit muss Schluss sein. Länder und Kommunen müssen eine wachsende Infrastruktur für eine wachsende Bevölkerung vorhalten. Migration als soziale Bewegung setzt auch einen vernünftigen Ausgleich zwischen reichen und schrumpfenden Gesellschaften auf der einen Seite und ärmeren, wachsenden Gesellschaften auf der anderen Seite durch. Sie ist auch eine Abstimmung mit den Füßen über unhaltbare soziale und gesellschaftliche Zustände, die Reaktionen erzwingt.
Migration und Zuwanderung brauchen einen handlungsfähigen Staat und handlungsfähige öffentliche Finanzen. Die entscheidenden Herausforderungen werden jenseits der unmittelbaren Unterbringung liegen. Sie liegen im Bereitstellen von Wohnungen, Bildungseinrichtungen, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass es gleiche Rechte und Zugänge für alle gibt. Wir wollen rassistische Sondergesetze wie das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen. Geflüchtete und schon länger hier lebende Menschen müssen mit gleichem Recht Wohnraum, Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und soziale Absicherung bekommen. Deshalb lehnen wir auch die Einführung weiterer Zwei-Klassen-Regelungen ab, die z.B. in Lohndumping, Mindestlohnausnahmen oder minderen Arbeitsrechten und Schutzbestimmungen für Geflüchtete bestehen. Viele befürchten, dass die Migrationsbewegung zu Verdrängungsprozessen auf dem Arbeitsmarkt führt oder auf Löhne und Tarifbedingungen drückt. Diese Entwicklung hängt aber nicht davon ab, wie viele Menschen kommen, sondern zu welchen Bedingungen. Wir wollen Zugangsrechte verbessern, und wir lehnen das von Regierungen als eine Art „Integrationsbedingung“ genannte Senken von Standards ab, wie es bereits etwa mit der Aufhebung des Leiharbeitsverbots oder der Vorbereitung einer migrantischen „Generation Praktikum“ vorbereitet wird. Genauso stellen wir uns gegen die „Überlegung“ Schäubles, völlig ungenügende Sozialleistungen wie Hartz IV angesichts des Zustroms bedürftiger Menschen senken zu wollen. Wir fordern Wohnungs- und Neubauprogramme im preiswerten Segment, von denen alle profitieren, und die endlich die Verschleuderung von Flächen für Luxuswohnen und sinnlose Shopping-Zentren beenden. Wir brauchen dabei vor allem mehr Wohnraum in öffentlicher Hand, der dauerhaft einen sozialen Zweck verfolgt und keine Profite erwirtschaften muss. Wir wollen, dass Beschlagnahme von Flächen und Gebäuden zur Bekämpfung der Wohnungsnot grundsätzlich legitim praktiziert wird, nicht nur jetzt, nicht nur zur Notunterbringung, nicht nur für Geflüchtete. Das heißt für uns „die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen“: Keine Angst vor grundsätzlichen Fragen zu haben und auf Solidarität statt auf Spaltung zu setzen.
Eine handlungsfähige Politik braucht handlungsfähige Finanzen
In die Verhandlungen um den zukünftigen Finanzausgleich zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern ist Bewegung gekommen. Der Bund nähert sich der Länder-Forderung an, 10 Milliarden Euro mehr in den Finanzausgleich zu geben. In Vorschlägen aller Beteiligten ist inzwischen enthalten, dass Bremen dauerhaft ca. 500 Millionen Euro mehr im Jahr erhält. Diese Entwicklung müssen wir bewerten und unsere Forderungen präzisieren und nachstellen.
Zum einen haben wir bereits vor zehn Jahren darauf hingewiesen, dass Bremen (aufgrund seiner Strukturkrise und des unzureichenden Ausgleichs der Stadtstaaten- und Hafen-Ausgaben) seit den 80er Jahren ein strukturelles Haushaltsdefizit in Höhe von einer halben Milliarde mit sich herumschleppt, das nicht durch Kürzungen zu schließen ist und das verantwortlich ist für den akkumulierten Schuldenstand. Es ist schön, dass nach langer Zeit, durch zunehmende soziale Auseinandersetzungen um die Folgen der „Sanierung“ und nicht zuletzt auch durch den Wahldruck der LINKEN ein kleines bisschen mehr Realitätssinn oben ankommt und diese Tatsache auch allmählich anerkannt wird. (Erkennbar daran, dass der Senat aktuell die Personaleinsparquote faktisch aussetzt und das dritte ‚Flüchtlingspaket‘ die Schaffung von 300 Verwaltungsstellen enthält – nicht ausreichend, aber immerhin.) Die Gefahr ist aber, dass die Regierungen vorrangig ihre ‚eigenen‘ Probleme lösen und nicht die der Bevölkerung, dass sie über die Notwendigkeiten einer Stabilitätsrats-konformen Haushaltsaufstellung verhandeln und nicht über die Notwendigkeiten einer zukunftsfähigen Aufstellung der Gemeinwesen.
Das Minimum für einen neuen Finanzausgleich muss aus Bremischer Sicht eine Lösung sein, die nicht nur eine Aufstockung enthält, mit der das derzeitige Elend ohne zusätzliche Schulden weitergefahren werden kann. Wir fordern von einem neuen Finanzausgleich darüber hinaus, dass er für Bremen
- Ausgaben in Bildung, Wohnen, Soziales, Arbeitsmarkt etc. auf dem Niveau der anderen beiden Stadtstaaten ermöglicht, ohne neue Schulden aufzunehmen;
- Spielraum für zusätzliche Anstrengungen gibt, um die derzeitige Schlusslichtposition bei Schulleistungen (seit langem), Armut (seit 2012), Arbeitslosigkeit (seit 2015), Ausbildungslücke (strukturell) und sozialer Bildungsungerechtigkeit zu überwinden;
- Zukunftsinvestitionen erlaubt, einschließlich einer Auflösung des investiven Sanierungsstaus, der Durchführung sinnvoller Rekommunalisierungen und des Wiederaufbaus eines handlungsfähigen öffentlichen Dienstes, der nicht auf der permanenten Überausbeutung seiner Beschäftigten beruht.
- Für einen handlungsfähigen Staat reicht aber weder ein gerechterer Finanzausgleich noch eine gute Konjunktur. Um das Gesamtsteueraufkommen auf Dauer zu erhöhen, gilt gerade jetzt: „Unsere Schuldenbremse heißt Umfairteilen – Reichtum stärker besteuern“. Deshalb kämpfen wir verstärkt für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Reform der Erbschaftssteuer und weitere finanzpolitische Maßnahmen, die die wachsende Ungleichverteilung von Vermögen in Deutschland schrittweise aufheben.
- Nur mit der Aufhebung der Schuldenbremse und einem Schuldenschnitt für Bremens Altschulden kann das unmittelbare und das langfristige Spardiktat für Bremen durchbrochen werden. Deshalb fordern wir die Aufhebung der Schuldenbremse und einen Schuldenschnitt für Bremen.
Diese Forderungen sind kein Wunschkonzert. Sie sind das Mindestmaß dessen, was sich aus dem Grundsatz gleicher Lebensverhältnisse und dem Grundsatz der Generationengerechtigkeit ableitet. Wer in Bremen und Bremerhaven aufwächst, muss die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben wie jemand, der oder die in München oder Stuttgart geboren wird. Eine Finanzordnung, die das nicht erlaubt, verletzt die Grundrechte.
DIE LINKE attraktiv machen
Nach acht Jahren Parteigründung und Parlamentsvertretung ist es Zeit für eine selbstkritische und selbstbewusste Zwischenbilanz. Dass es kein Tabubruch mehr ist, mit der LINKEN politisch zusammen zu arbeiten, haben wir insbesondere in der letzten Legislaturperiode erreicht. Dass es selbstverständlich sein kann, DIE LINKE zu wählen, ist mit dem Wahlergebnis vom Mai deutlich geworden. Dass es auch naheliegend und populär ist, in der LINKEN mitzuarbeiten und Mitglied zu werden, müssen wir jetzt erreichen.
Die Probleme haben wir seit längerem benannt. Einer wachsenden Rolle im Bundesland steht eine stagnierende Mitgliederzahl gegenüber, was bei den Aktiven zunehmend Überforderungen und Überlastungen mit sich bringt. Die Zusammensetzung unserer Wähler*innenschaft verschiebt sich zuungunsten der benachteiligten Quartiere, wenngleich langsamer als bei den anderen Parteien. Gerade Menschen mit Bewegungs- und Organisationserfahrung, die wir für den Parteiaufbau dringend bräuchten, finden Parteien unverändert „uncool“, obwohl eben auch Erfahrungen mit den Grenzen anderer Partizipationsmöglichkeiten ständig gemacht werden.
Allein mit abstrakten Appellen an Notwendigkeiten können wir nicht überzeugen. Wenn die Partei wachsen will, muss sie interessant, spannend und zugänglich sein. Ohne die vielfältige Interessenvertretung und Präsenz gerade in den benachteiligten Stadtteilen kann die Partei sich nicht verankern; ohne gelebte Attraktivität und inhaltliche Ausstrahlung kann sie nicht überleben. Dass die durch die niedrige Wahlbeteiligung dringende Diskussion vor Ort, inwiefern politisches Engagement überhaupt noch Sinn macht und was sich dafür ändern muss, von den anderen Parteien praktisch aufgegeben wird, macht es für uns nicht einfacher.
Die Zusammenarbeit zwischen Fraktion und Partei ist von zentraler Bedeutung, schon weil die Ressourcen der Partei (Geld, Personal, Öffentlichkeit, Medienzugang, Vernetzung) im Verhältnis zur Fraktion unverhältnismäßig begrenzt sind.
Konkret nehmen wir uns vor
- einen landespolitischen Ratschlag zur aktuellen politischen Situation zu organisieren, der nach außen Interesse weckt und verbindet und nach innen neu motiviert sowie Konsequenzen politischen Handelns in Landesverband und Fraktion nach sich zieht;
- das Format der Landesmitgliederversammlung fortzusetzen;
- die bundesweite „Das muss drin sein“-Kampagne stärker zu nutzen und in unsere Arbeit einzubauen;
- beginnend mit einem Entwurf des LaVos einen Aktionsplan zu erarbeiten, wie Attraktivität, Präsenz und Mitgliederentwicklung verbessert werden können;
- zusammen mit der Fraktion einerseits die regelmäßige Zusammenarbeit besser zu institutionalisieren und andererseits die gemeinsame Positionsentwicklung zwischen den Wahlprogrammen voranzutreiben – beginnend mit den anstehenden Haushaltsverhandlungen 2016/17;
- zusammen mit der Fraktion Maßnahmen und Ziele für die Präsenz und Verankerung in den benachteiligten Quartieren zu definieren – eine besondere Rolle kommt dabei dem Aufbau von Basisgruppen zu, wie auf der letzten Landesmitgliederversammlung sowie auf Ebene vieler Kreise und im Landesvorstand diskutiert und beschlossen;
- die Rolle der ehrenamtlichen Arbeit und den Charakter der Partei als Mitgliederpartei zu stärken. Wir unterstreichen die Trennung von Amt und Mandat und werden auch die Debatte führen, ob für Parteiämter und Delegiertenmandate zusätzlich eine Hauptamtlichen-Quote sinnvoll ist.
Ebenso muss der Landesverband in seiner dritten Legislaturperiode mit Parlamentsvertretung die Diskussion führen und entscheiden, welche Regeln er sich für die notwendige Erneuerung des „parlamentarischen Arms“ geben will (z.B. „Laufzeitbegrenzung“, „Zwölfenderregelung“, Erneuerungsquote). Die Partei verfügt über solche Regelungen, für die Fraktion müssen sie debattiert und gefunden werden.
Zur Qualifizierung möglichst vieler Mitglieder für die Öffentlichkeitsarbeit, für die Belebung der inhaltlichen Ausstrahlung und unseres emanzipatorischen Selbstverständnisses und die Befähigung zur Übernahme von politischen Funktionen werden wir unsere politische Bildungsarbeit neu konzipieren und mit entsprechenden finanziellen Ressourcen beleben.
Auch im Rahmen des landespolitischen Ratschlags ziehen wir historische wie neuere Analysen zur Entstehung rechter Ideologien und Bewegungen zu Rate, um die aktuellen rassistischen Tendenzen zu verstehen und verschiedene Ansätze linker Gegenwehr zu diskutieren.
Als Landesverband werden wir uns auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, in welche Rolle wir als Partei und Fraktion eigentlich in diesem Bundesland hineinwachsen und hineinwachsen wollen. Auf absehbare Zeit wird dabei weniger die beliebte Frage möglicher Regierungsbeteiligungen im Vordergrund stehen als die kritische Frage nach unserer grundsätzlichen Funktion in einem Zwei-Städtestaat mit 70 Jahren SPD-Dominanz. Nehmen wir wirklich auf wichtige politische Linien Einfluss, oder sind wir nur eine Art Frühwarnsystem zur Berücksichtigung konkreter Einzelinteressen? Verschieben wir tatsächlich Kräfteverhältnisse, oder nischen wir uns ein als institutionelle Verwalterin einer letztlich zu wirkungslosen Kritik? Konkurrieren wir mit anderen Parteien auf der Ebene „parlamentarischer Dienstleistung“ für Gruppen, die bereits aktiv sind, oder können wir auch soziale Bewegung mobilisieren und zuspitzen? Was ist nötig, damit wir nicht nur uns zufallende oder zugedachte Rollen annehmen, sondern unsere Rolle selbst gestalten und wählen? Wenn wir eine solche Diskussion solidarisch und offensiv führen und auch für andere öffnen, leisten wir damit einen Beitrag zur (Selbst-)Aufklärung politischer Verhältnisse, den andere sich nicht zutrauen und der uns relevanter macht als linke Organisation, die mehr denn je gebraucht wird.
Solidarität gegen Rassismus - Entschlossen gegen rechten Terror vorgehen!
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 14. November 2015
Wir erleben zurzeit nicht nur ermutigende Beispiele an Solidarität und Hilfsbereitschaft, sondern auch eine beängstigende Welle rechter Gewalt, Angriffe und Morddrohungen gegen Geflüchtete, ihre UnterstützerInnen und tatsächliche oder mögliche Unterkünfte.
Auch in Bremen wurden in den letzten Wochen und Monaten Zelte und Hallen angezündet, in denen Geflüchtete untergebracht werden sollten: Schon im September gab es einen versuchten Brandanschlag auf ein gerade aufgebautes Großzelt in Blumenthal, im Oktober Brandstiftungen an Turnhallen in Findorff und Walle, die als Notunterkünfte vorgesehen waren bzw. geprüft werden sollten. Bisher wurden die TäterInnen in keinem der Fälle ermittelt.
Hallen anzuzünden, damit vor Krieg, Gewalt und Elend flüchtende Menschen im Winter nicht einmal eine notdürftige Massenunterkunft bekommen, ist ein brutaler, unmenschlicher Akt des Terrors. Spätestens seit dem Bekanntwerden des NSU wissen wir, dass rechter Terror seine einschüchternde Wirkung am besten entfaltet, wenn die Betroffenen mit den Folgen und ihrer Angst allein gelassen werden.
DIE LINKE Bremen solidarisiert sich mit den Betroffenen rechter Gewalttaten.
Die Angriffe selbst müssen geächtet und konsequent verfolgt werden und der rassistische Hass, der ihnen zugrunde liegt, muss zurückgedrängt werden. Wir alle, die diesen Hass ablehnen, müssen uns laut und unmissverständlich gegen Rassismus positionieren.
Menschen auf der Flucht helfen, Soziale Infrastruktur ausbauen, Fluchtursachen bekämpfen – aber richtig!
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 14. November 2015
1. Sechzig Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg, Elend, Rassismus, Unterdrückung und Vertreibung
Viele dieser Menschen haben ein Anrecht auf Asyl gemäß dem deutschen Grundgesetz sowie gemäß den Genfer Flüchtlingskonventionen, die alle europäischen Staaten unterzeichnet haben. Allerdings leben geflüchtete Menschen seit jeher in dem Widerspruch, dass sie ein Land betreten müssen, um dort um Asyl zu bitten. Wenn sie das Land illegal betreten haben und dann umgehend um Asyl bitten, bleibt die illegale Einreise laut Genfer Flüchtlingskonvention jedoch „straffrei“. Bislang hatte sich Europa hinter dem Mittelmeer eingeigelt und Italien sowie Griechenland mit der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, die es lebend über das Mittelmeer geschafft hatten, allein gelassen („Dublin-III-Regelung“). Die deutsche Bundesregierung hatte sich auf den zynischen Standpunkt gestellt, dass deutsche Botschaften, Schiffe unter deutscher Flagge oder deutsche Flughäfen nicht deutsch genug wären, um dort Asylantrag zu stellen. Dafür müsse eine flüchtende Person es schon bis auf deutschen Inlands-Boden schaffen. Dies ist jedoch kaum möglich, ohne zuvor ein anderes „sicheres Drittland“ zu betreten. Dementsprechend wurden in den letzten Jahren bis 2013 die Verwaltung und Hilfsangebote für geflüchtete Menschen in Deutschland und auch in Bremen und Bremerhaven immer weiter heruntergefahren. Erst ab 2014 gab es einen signifikanten Anstieg von geflüchteten Menschen, die von Deutschland als AsylbewerberInnen akzeptiert wurde.
Seit Anfang September 2015 gibt es eine neue Situation, die durch die vielen Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak sowie Afghanistan, die über den Landweg nach Europa kommen, ausgelöst wurde. Es war richtig von Angela Merkel, das Beharren auf den Dublin-III-Regelungen aufzugeben und die von Ungarn abgewiesenen Flüchtenden nach Deutschland kommen zu lassen. Diese Reaktion war aber auch unvermeidlich: die Landgrenzen von Europa sind (zumindest ohne Grenzanlagen wie in der DDR) nicht abzuschotten, und der Anblick von zehntausenden Menschen, Männer, Frauen und Kinder, die irgendwo im Niemandsland vor Europas Grenzen zugrundegehen, ist humanitär einfach unerträglich.
Dabei ist es gut und richtig, dass Deutschland als wirtschaftlich stärkstes und reichstes Land Europas in dieser Situation in die Verantwortung geht und einer großen Anzahl Menschen auf der Flucht die Möglichkeit gibt, eine sichere Unterkunft zu finden. Ein Land mit 80 Mio. EinwohnerInnen kann durchaus der einen oder anderen Million Menschen auf der Flucht Bleibe und eine neue Heimat bieten, ohne dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung signifikant verändert. Die deutsche Willkommenskultur, die große Teile der Bevölkerung in den letzten Wochen und Monaten gezeigt hat, die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die spenden und Zeit mit den geflüchteten Menschen verbringen, sind bewundernswert und zeigen die positive Einstellung von relevanten Teilen der deutschen Bevölkerung, dem Leid in der Welt nicht nur passiv zuzusehen, sondern aktiv im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verbesserung beizutragen.
Dennoch stellt der plötzliche Zuzug von hunderttausenden von Menschen die Politik vor große Herausforderungen. Wenn diese Herausforderungen nicht schnell und intensiv wahrgenommen, angenommen und gelöst werden, besteht die Gefahr von gesellschaftlichen und sozialen Verwerfungen und humanitären Katastrophen, deren Umfang noch nicht abzusehen ist.
Die Bundesregierung und die Mehrheit der Bundesländer haben in dieser Situation starke Einschränkungen und Restriktionen des Asylrechts beschlossen. Nach unserer Auffassung stehen diese Einschränkungen im Widerspruch zum Inhalt des Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention und sind humanitär nicht zu vertreten. Sie sind auch nicht geeignet, die Herausforderungen des stark angewachsenen Zuzugs von flüchtenden Menschen zu lösen.
DIE LINKE Bremen tritt in Bezug auf die Genfer Flüchtlingskonvention für die folgenden Maßnahmen auf Bundesebene ein:
• Offene Fluchtwege. Menschen auf der Flucht müssen ihr Asylbegehren auch außerhalb von Deutschland bzw. der EU stellen können, z.B. in Konsulaten. Die Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention einerseits, die Kopplung des Rechtsanspruchs andererseits an das erfolgreiche illegale Überwinden der Grenzen Europas, zu deren Überwachung hoher Aufwand getrieben wird, ist widersinnig. Menschen auf der Flucht müssen legale und sichere Zugangsmöglichkeiten nach Europa und Deutschland bekommen – nicht nur auf dem Landweg, sondern auch über das Mittelmeer.
• Rücknahme der Verschärfungen des Asylrechts. Die neuerlichen massiven Verschärfungen des Asylrechts müssen zurückgenommen werden. Die Umstellung auf Sachleistungen, die Versagung von medizinischen Leistungen, die Ausweitungen von Inhaftierungen und Abschiebungen sind entwürdigend. Die weitere Deklaration von „sicheren“ Herkunftsländern ist äußerst fragwürdig. Die vielen Menschen, die den Kosovo verlassen, zeigen, dass die EU-Politik, die UNO und insbesondere Deutschland nicht in der Lage war, dort für lebenswerte Verhältnisse zu sorgen. Die türkische Regierung und türkische rechte Gruppierungen haben in den letzten Monaten brutale Übergriffe gegen religiöse Minderheiten und linke Kräfte begangen. Sie ist zurzeit alles andere als ein „sicherer Herkunftsstaat“!
• Berücksichtigung der rassistischen Diskriminierung von Roma aus den Balkanländern. Wir setzen uns stattdessen insbesondere dafür ein, dass die rassistische Diskriminierung von Roma in den Balkanstaaten in Asylverfahren als relevante Fluchtursache anerkannt wird. Deutschland hat angesichts der Ermordung von hunderttausenden Roma in den KZs des Dritten Reichs eine besondere Verantwortung gegenüber dieser Volksgruppe.
• Keine Militarisierung! Die geplante Aufrüstung von Frontex zur schlagkräftigen Grenzschutztruppe und die Pläne zum Einsatz der Bundeswehr bei der „Rückführung“ von abgelehnten AsylbewerberInnen lehnen wir strikt ab.
2. Infrastruktur zur Versorgung der flüchtenden Menschen schnell aufbauen!
Die stark gestiegene Anzahl von Flüchtenden trifft in Deutschland und gerade in Bremen und Bremerhaven auf eine völlig unvorbereitete und noch dazu runter gesparte Verwaltung. Gleichzeitig steigt deutschlandweit die behördliche Nachfrage nach Containern, winterfesten Zelten, Feldbetten usw. in unerwartetem Ausmaß, was lange Lieferzeiten und deutlich erhöhte Preise mit sich bringt. Als Folge werden die geflüchteten Menschen notgedrungen mehr und mehr in Notunterkünften wie Zelten und Turnhallen untergebracht. Das ihnen zustehende Taschengeld kann teilweise erst nach Wochen ausgezahlt werden. Die in Bremen und Bremerhaven besonders hohe Anzahl von unbegleiteten minderjährigen geflüchteten Menschen kann überhaupt nicht adäquat untergebracht und versorgt werden. Amtsvormünder sind völlig überlastet. Desgleichen kommt der Bund mit der Behandlung der Asylanträge nicht hinterher. Auch der Arbeitsmarkt für plötzlich händeringend gesuchte SachbearbeiterInnen und SozialarbeiterInnen ist leergefegt. Je nachdem, wie der Zuzug weiter-geht, wird es eine Herausforderung werden, wirklich allen geflüchteten Menschen im kommenden Winter auch nur ein Dach über dem Kopf, ein Bett und Zugang zu sanitären Anlagen zu verschaffen.
Dabei hat Angela Merkel im Prinzip recht, wenn sie sagt „Wir schaffen das!“ Deutschland ist in der Lage, dass zu schaffen. Aber selbst für die basale Erst-Unterbringung aller Geflüchteten müssen die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen eine Reihe von ungewöhnlichen Maßnahmen durchführen – und tun dies zum Teil bereits ansatzweise, aber noch längst nicht genug.
Wir fordern in Bezug auf die unmittelbare Unterbringung der Geflüchteten:
• Bundeszuschüsse erhöhen! Die bislang vom Bund zugesagten Finanzmittel zur Unterstützung der Länder und Kommunen sind völlig unzureichend und müssen deutlich erhöht werden. Trotzdem dürfen die Länder und Kommunen die notwendigen Aufgaben nicht auf die lange Bank schieben und müssen sie sofort finanzieren.
• Schuldenbremse darf kein Tabu sein! Die „Schuldenbremse“ und in Bremen der „Sanierungspfad“ muss im Zweifelsfall sowohl im Bund als auch in Bremen hinter der Finanzierung der notwendigen Leistungen zurückstehen.
• Verwaltung und Versorgung hochfahren! Die notwendigen Verwaltungsstellen zur adäquaten Erstversorgung müssen so schnell wie möglich besetzt, entsprechende Aufträge an externe Leistungserbringer, z.B. für die psychosoziale Versorgung von traumatisierten Geflüchteten Menschen (Refugio), Rechtsberatung usw. müssen so schnell wie möglich ausgeschrieben und vorfinanziert werden.
• Leerstand heranziehen! Die bremische Verwaltung muss auch ihren eigenen Gebäude-bestand rigoros prüfen und im Zweifelsfall Verkaufspläne gegenüber der Unterbringung von geflüchteten Menschen zurückstellen. Desgleichen wird sie, wie von der LINKEN in die Diskussion gebracht, leer stehende private Gebäude beschlagnahmen müssen, um die längerfristig unzumutbare Unterbringung in Zelten und Turnhallen so schnell wie möglich zu beenden.
3. Ressentiments und Rassismus entgegentreten!
Trotz der vielen positiven Unterstützung der geflüchteten Menschen durch ehrenamtliche HelferInnen ist festzustellen, dass die deutsche Bevölkerung aktuellen soziologischen Untersuchungen zufolge dreigespalten ist: 30 Prozent befürworten den Zuzug von geflüchteten Menschen, 40 Prozent sind unentschieden, 30 Prozent sind entschieden dagegen. Der Zuzug der Flüchtenden wird nur dann erfolgreich verlaufen, wenn es der Politik und Gesellschaft gelingt, eine deutliche Mehrheit dafür zu gewinnen, die Aufnahme der Menschen auf der Flucht zu begrüßen und positiv zu begleiten, die Minderheit zu befrieden und sich rassistischen Gewalttaten mit allen Mitteln entgegenzustellen.
Gründe, den Zuzug der geflüchteten Menschen kritisch zu sehen oder abzulehnen, gibt es in ganz unterschiedlichen Ausprägungen, die von der Politik und auch von der LINKEN entsprechend unterschiedliche Umgangsweisen und Antworten erfordern.
Irreale Ängste von KleinbürgerInnen in prekären Situationen.
Es ist eine ganz bestimmte Klasse von BürgerInnen, die Pegida-Parolen verbreiten und die neue AFD (ohne die ausgestiegenen groß-bürgerlich Nationalliberalen) befeuern: KleinbürgerInnen, die eigentlich nichts anderes wollen als einen geregelten Lebensablauf in Ruhe und Ordnung, wo alles so abläuft wie es schon immer abgelaufen ist – oder jedenfalls hätte ablaufen sollen. Trotzdem läuft es bei ihnen nicht so ab – sie sind aus ihnen unverständlichen Gründen in wirtschaftlich prekären Situationen, die ihr geregeltes Leben bedrohen. Sie haben Angst vor dem sozialen Absturz, sie fühlen sich als benachteiligt und zu kurz gekommen, obwohl sie brave BürgerInnen sind und darum alles richtig gemacht haben. „Ausländer“ allgemein und größere Gruppen von Geflüchteten Menschen im Besonderen werden da als sichtbarer und festmachbarer Punkt der „Unordnung“ ausgemacht und mit völlig irrationalen Ängsten aufgeladen. Wie kann man in einem Bundesland mit einem Migrationsanteil an der Bevölkerung von zwei Prozent (Sachsen) auf die Idee kommen, dass die „Islamisierung des Abendlandes“ drohe? Migranten werden generell als „Kriminelle“ und „Vergewaltiger“, Migrantinnen als eifrige Produzentinnen von „Kopftuchmädchen“ aufgefasst. Dieser rassistische und islamophobe Unfug ist nichtsdestotrotz hochgefährlich. Es waren ganz genau solche vom Abstieg bedrohte KleinbürgerInnen, die die NSDAP an die Macht gebracht haben. Und es sind solche KleinbürgerInnen, die sich jetzt zu Pegida-Demonstrationen und Bürgerwehren zusammenrotten und den „Kampf gegen Ausländer“ zum Anlass nehmen, sich wieder als handelnde Subjekte wahrzunehmen.
Leuten, die solche Gedanken bei sich feststellen, können wir nicht viel, aber immerhin das Folgende sagen:
• Es ist das Gesetz! Die Menschen auf der Flucht, die heute zu uns kommen, haben zum übergroßen Teil Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, die sie berechtigen und Deutschland verpflichten, ihnen Aufenthaltsrecht zu gewähren.
• Geflüchtete Menschen sind nicht krimineller als Deutsche. Das hat die Polizei immer wieder festgestellt: Flüchtlingsunterkünfte gehen nicht mit erhöhten Kriminalitätsraten in der Umgebung umher.
• Unzufriedenheit mit den Verhältnissen sollte man an den Verhältnissen auslassen, nicht an geflüchteten Menschen. Die wirtschaftlich prekäre Situation, die das wirkliche Problem der aufgeregten KleinbürgerInnen ist, liegt nicht an den geflüchteten Menschen, die wir bei uns aufnehmen, sondern am neoliberalen Turbokapitalismus, der für völlig unsichere und unordentliche Verhältnisse sorgt. Ausuferndes Gewinnstreben und wachsende materielle Ungleichheit zersetzen die Gesellschaft von innen. Konkurrenzkampf, Misstrauen, soziale Abgrenzung und Unsicherheit wachsen, Kooperation, Vertrauen in gesellschaftliche Strukturen und Bereitschaft, soziale Verantwortung zu übernehmen, schwinden. Eine massive Beschneidung dieser kapitalistischen Auswüchse, wie sie von der LINKEN geplant wird, wird das Leben viel ordentlicher und planbarer machen.
• Und schließlich: jeder Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, rechter Aggression und Terror, Bedrohung usw. muss mit allen gesellschaftlichen und politischen Mitteln entgegengetreten werden!
4. Reale Befürchtungen ernstnehmen – Profiteuren entgegentreten. Soziale Infrastruktur ausbauen - für alle!
Es gibt aber auch Bevölkerungsgruppen, bei denen der Zuzug von geflüchteten Menschen ganz reale Befürchtungen auslöst. Und es gibt Interessensgruppen, die gezielt darauf hinarbeiten, dass diese Befürchtungen wahr werden.
Sozio-ökonomisch Benachteilige. Arme BewohnerInnen Deutschlands können befürchten, dass der Zuzug von geflüchteten Menschen ihre Ansprüche auf Hilfen und Dienstleistungen der öffentlichen Hand verringert. Und solche Befürchtungen sind (im Gegensatz zu Furcht vor der Islamisierung des Abendlandes etc.) durchaus ernst zu nehmen: die geflüchteten Menschen werden, wenn sie Aufenthaltsrecht erlangen, mit sozio-ökonomisch benachteiligten Menschen in Deutschland um knappen erschwinglichen Wohnraum, um Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor, um limitierte Beratung und Fortbildungsangebote etc. konkurrieren. Diese Befürchtungen werden noch befeuert von z.B. CDU-Abgeordneten, die einen Abbau der Sozialleistungen fordern, um „die Attraktivität der deutschen Sozialhilfesysteme“ für geflüchtete Menschen abzusenken. Auch die Kündigung von städtischen Wohnungen, in denen dann Geflüchtete untergebracht werden, oder die Herrichtung von Wohnblocks für Flüchtlinge, aber nicht für nebenan wohnende Hartz IV-Beziehende, trägt dazu bei, dass sich sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen vom Staat noch mehr benachteiligt vorkommen, der sich stattdessen „mehr um die Flüchtlinge kümmert“. In Bremen und Bremerhaven kommt die „Tafel“, die täglich Tausende von Essen an Arme ausgibt, an ihre Grenzen – einerseits, weil die Supermärkte weniger Essen abliefern, andererseits aber auch, weil auch geflüchtete Menschen dort essen wollen.
Immer wieder fragen Leute bei Gesprächen auf der Straße, ob der Staat für die zunehmende Anzahl von Obdachlosen wohl ähnlichen Aufwand treiben würde wie für die Geflüchteten. Die Frage ist nicht unberechtigt: 325.000 Menschen in Deutschland verfügen über keine eigene Wohnung, die Zahl der Obdachlosen ist in den letzten Jahren auf 40.000 gestiegen. Generell gibt es diese Vorbehalte nicht nur bei Armen, sondern auch bei anderen Gruppen, die auf die öffentliche Daseinsvorsorge angewiesen sind, z.B. Eltern, die für ihre Kinder einen gut ausgestatteten Kindergarten oder Schule wünschen. Auch diese Gruppen müssen sich offensichtlich Sorgen machen: der niedersächsische Finanzminister sinnierte vor kurzem öffentlich darüber, dass man wohl die Ausgaben für Bildung reduzieren müsse, um die Mittel für die Flüchtlingsversorgung aufbringen zu können.
BewohnerInnen Deutschlands mit Migrationshintergrund. Auch bei Teilen dieser Bevölkerungs-gruppe wird es Sorgen geben, dass der Zuzug einer großen Menge von Menschen insbesondere aus dem Nahen Osten ihren allgemeinen Stress beim Umgang mit Behörden, Arbeitgebern und „biodeutschen“ BewohnerInnen erhöht und Vorurteile und Ablehnung gegenüber MigrantInnen allgemein zunehmen.
Wirtschaftliche Profiteure des Zuzugs. Die Aufnahme von Menschen auf der Flucht ist humanitär geboten und bietet ihnen sicheren, menschenwürdigen Aufenthalt. Es gibt aber auch Profiteure dieses Zuzugs, deren Beweggründe durchaus kritisch gesehen werden müssen. Diese sind einerseits natürlich die Container- und Zelthersteller, die gerade das Geschäft ihres Lebens machen, und der Immobilienwirtschaft, die sich darüber freuen kann, dass Wohnungen ein noch knapperes Gut werden. Andererseits sind dies Firmen, die Bedarf nach gut ausgebildeten Fachkräften haben, die es gerade unter den syrischen Flüchtenden in relevanter Menge gibt. Und Firmen, die Bedarf an jungen, willigen und billigen Arbeitskräften im „Niedriglohnsektor“ haben. Diese Auffüllung des Arbeitsmarktes ist ein Faktor, der für neoliberale Wirtschaftskräfte eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Es ist im Interesse der Kapitalistischen Klasse, dass die Reservearmee des Arbeitsmarktes, die Arbeitslosen, nicht zu klein wird, damit unbotmäßige oder leistungs-schwache ArbeitnehmerInnen jederzeit gegen willigere ausgetauscht werden können. Und diese Reservearmee war in der letzten Zeit in Deutschland tatsächlich abgeschmolzen – nicht weil es mehr Arbeit gab, sondern weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und weniger junge Leute auf den Arbeitsmarkt kommen. Dementsprechend gab es in den letzten Jahren in einer Reihe von Branchen echte Lohnerhöhungen und eine Konkurrenz um qualifizierte ArbeitnehmerInnen. Diese aus Sicht der Arbeitgeber unschöne Entwicklung ist durch eine ausreichende Zuführung von geflüchteten Menschen im besten Arbeitsalter gut zu korrigieren. Dementsprechend gab es umgehend Forderungen nach „Aufhebung des Mindestlohns“ oder Ideen für eine besonders flexible Form von Leiharbeit und Umsonst-Praktika für Geflüchtete.
Ausbeuten und Ablenken – zwei Fliegen mit einer Klappe. Hier treffen sich die Befürchtungen von Armen und BewohnerInnen mit Migrationshintergrund mit den Absichten, die interessierte Wirtschaftskreise umtreiben: eine gnadenlose Konkurrenz um Arbeitsplätze zwischen Armen, MigrantInnen und Geflüchteten bei gleichzeitigem Abbau der Sozialleistungen und Arbeitsrechte, gerne garniert mit Ressentimentsausbrüchen zwischen den betroffenen Gruppen. Das lenkt bestens davon ab, was hier wirklich passieren soll: die Optimierung der Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung. Wir unterstellen nicht, dass dieses Ziel der primäre Beweggrund für Angela Merkel war, sich über die Dublin-III-Regelungen hinwegzusetzen. Aber es ist offensichtlich, dass es interessierte und einflussreiche Lobby-Gruppen der Wirtschaft gibt, die diese Chance erkennen und nutzen wollen. Um dies zu verhindern, ist die LINKE gefragt.
Wir stellen fest:
• Die wirklichen Grenzen verlaufen nicht zwischen angestammten, zugewanderten und geflüchteten Armen, sondern zwischen Arm und Reich!
• Wir lehnen jeglichen Abbau von Sozialstandards und Arbeitsrechten entschieden ab!
• Ausbau der sozialen Infrastruktur für alle! Wir wollen genau das Gegenteil der Wirtschaftslobby. Wir wollen einen solchen Ausbau der sozialen Infrastruktur, dass alle davon profitieren: die alten, neueren und ganz neuen BewohnerInnen Deutschlands. Dies ist durchaus denkbar, wie im Folgenden gezeigt wird.
5. Abschied vom Schrumpfungsdogma – Deutschland wächst wieder!
In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist Bremen geschrumpft und gealtert. Dementsprechend wurden Stellen für LehrerInnen abgebaut, es wurde nichts mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert, die Verwaltung wurde runtergespart. Dazu trug insbesondere der „Sanierungspfad“ und die Schuldenbremse bei. In vielen anderen Bundesländern sieht es nicht viel anders aus. Die Deutschen alterten, und katastrophische Befürchtungen über untragbare Rentenlasten und menschenleere Landstriche machten die Runde. Diese Situation kann sich jetzt durch den Zuzug der vielen geflüchteten Menschen massiv ändern. Die vielen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden dazu beitragen, die „Bevölkerungspyramide“ gerade zu rücken. Davon können alle profitieren - wenn es gelingt, viele der geflüchteten Menschen in die deutsche Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und wenn dabei gleichzeitig die soziale Infrastruktur so ausgebaut wird, dass es eben keinen Kampf aller gegen alle auf den niedrigen Rängen der deutschen Gesellschaft gibt, sondern dass genug für alle da ist.
Unbedingt notwendig ist dafür:
• der Ausbau und die gute Ausstattung von Kindergärten und Ganztagsschulen,
• kommunale Wohnungsbauprogramme, die erschwinglichen zusätzlichen Wohnraum für Alle bereitstellen,
• umfangreiche Arbeitsförderungsprogramme sowie ein deutlicher Ausbau von Stellen im sozialen Bereich.
Ungenutztes Geld gibt es genug. Klar ist dabei: es ist unabdingbar, richtig Geld in die Hand zu nehmen. Das kann nur der Bund, und das kann er auch nur, wenn er die Steuern auf hohe Einkommen und auf große Vermögen deutlich erhöht und Steuerhinterziehung effektiv unterbindet. Immerhin kosten uns „Wirtschaftsflüchtlinge“ wesentlich mehr als die Versorgung der vor Krieg geflüchteten Menschen: nach Aussagen von Ex-Finanzminister Steinbrück gehen der öffentlichen Hand jedes Jahr 100 Mrd. Euro an Steuereinnahmen durch legale „Gestaltungsmöglichkeiten“ und illegale Steuerhinterziehung verloren.
Wir fordern:
• Soziales Infrastrukturprogramm. Der Bund soll ein soziales Infrastrukturprogramm auflegen, mit dem die Länder und Kommunen einen für alle BewohnerInnen auskömmlichen Ausbau von Kindergärten und Schulen, von erschwinglichem neuem Wohnraum und von Arbeitsförderungs- und Integrationsprogrammen sowie dem Ausbau von sozialen Berufen finanzieren können.
• Koppelung von Flüchtlingsunterbringung und Programm-Mitteln. Die Zuteilung von Mitteln dieses Infrastrukturprogramms ist an die Aufnahme und Unterbringung von geflüchteten Menschen in den Ländern und Kommunen gebunden. Kommunen, die in der Lage sind, viele geflüchtete Menschen unterzubringen, können ihre soziale Infrastruktur überdurchschnittlich gut ausbauen.
• Vermögensteuer. Dieses Infrastrukturprogramm ist durch die Fortführung des Solidarbeitrags sowie der Wiedereinführung der Vermögensteuer auf hohe Vermögen ab eine Mio. Euro zu finanzieren. Desgleichen ist der Steuervollzug zu verbessern und legale Steuer-“Gestaltungsmöglichkeiten“ für internationale Konzerne so gut wie möglich einzuschränken.
6. Fluchtursachen bekämpfen – aber richtig!
Es muss seitens der deutschen Politik versucht werden, die anderen Europäischen Staaten ins Boot zu bekommen – z.B. mit einer Zuteilungspolitik von Fördergeldern, die auch an die Aufnahme von Flüchtlingskontingenten gebunden ist. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass in vielen anderen Ländern Europas seit Jahren wirtschaftlicher Stillstand bei leeren Staatskassen und hoher Arbeitslosigkeit gerade bei jungen ArbeitnehmerInnen herrscht – unter diesen Vorzeichen ist eine Integration von größeren Mengen von geflüchteten Menschen schwerer umzusetzen als in Deutschland. Deutschland und Europa müssen versuchen, die Anrainerstaaten, die bislang die größte Menge von Schutzsuchenden rund um Syrien und den Irak aufgenommen haben, dabei zu unterstützen, genauso wie die offensichtlich völlig unterfinanzierten UNO-Lager.
Eigene Verantwortung für die Fluchtursachen. Letztlich müssen aber die tatsächlichen Fluchtursachen so gut wie möglich bekämpft werden. Und hier ist seitens der deutschen Politik nicht nur diplomatisches Bemühen und Vermitteln gefragt. Für eine Reihe dieser Fluchtursachen ist Deutschland und die EU unmittelbar oder mittelbar mitverantwortlich: für die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch „Freihandelsabkommen“ der EU mit autokratischen afrikanischen Regierungen, die den Konzernen der EU freien Zugriff auf den afrikanischen Markt, Bodenschätze und Fischereigründe bieten und eine eigenständige Entwicklung der Wirtschaft in den afrikanischen Ländern unterdrücken. Und durch Waffenexporte, auch aus der Rüstungshochburg Bremen. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Die Waffenexporte an Saudi-Arabien, einem der übelsten lokalen Territorialreiche im Nahostkrieg, haben sich in letzter Zeit verdreifacht. Solange die EU und Deutschland dieses Geschäftemachen auf Kosten der Ärmsten fortsetzen, werden Menschen auf der Flucht sein. Schließlich muss Europa eine stärkere Position gegenüber den USA beziehen, deren kriegerisches Vorgehen im Irak und auch in Syrien maßgeblich zu der jetzigen Nahostkrise beigetragen haben, unter struktureller Hilfestellung gerade von Deutschland. Ein ständig wichtiger werdendes Thema ist zudem die Bedrohung von Lebensgrundlagen durch den Klimawandel. Auch hier müssen wir entschieden gegensteuern, um eine große Anzahl von Klimaflüchtlingen zu vermeiden.
Wir fordern:
• Ökonomische Ausbeutung stoppen! Zur Funktionsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft ist es keinesfalls nötig, wirtschaftlich schwächere Staaten insbesondere in Afrika auszubeuten und damit Not und Elend zu produzieren. Wir wollen, dass die EU faire Handelsbedingungen mit den wirtschaftlich schwächeren Staaten eingeht: durch die einseitige Akzeptanz von Schutzzöllen, durch Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards und strengen Regeln für Direktinvestitionen und transnationale Konzerne! Die Subventionen von europäischen Agrargütern für den Export in wirtschaftlich schwächere Staaten muss aufhören!
• Schluss mit dem Waffenexport! Ein Land, das Waffen in großem Stil in Krisengebiete oder angeblich sichere Anrainer-Staaten verkauft, produziert Tod, Elend, Gewalt und Menschen auf der Flucht. Waffen finden ihren Weg. Deswegen: Verbot jeglichen Waffenexports!
• Verantwortungsvolle Außenpolitik! Die deutsche Politik muss alles tun, um eine verantwortungsvolle Klimapolitik durchzusetzen. Die Außenpolitik muss konsequent am Völker-recht, an den Menschenrechten und auf friedliche Konfliktlösung ausgerichtet werden. Internationale Institutionen sind zu demokratisieren.
Eine solidarische Weltwirtschaftsordnung und Bewegungsfreiheit für Alle. Die LINKE tritt ein für eine solidarische Weltwirtschaftsordnung, die nachhaltige Entwicklungsperspektiven für die ärmeren Länder schafft, globale und soziale, ökologische und demokratische Rechte durchsetzt, statt die Konkurrenz um Anteile an weltweiten Exportmärkten voranzutreiben. Wir wollen eine Welt, in der kein Mensch vor Krieg, Diskriminierung oder Elend fliehen muss, in der aber jeder und jede gehen kann, wenn er oder sie es möchte und wohin er oder sie es möchte. Deswegen setzen wir uns nicht nur für freien Zugang für geflüchtete Menschen ein, sondern streben auch eine Verständigung über ein sozial gerechtes Einwanderungsgesetz an.
Genug für Alle durch Umverteilen!
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 14. November 2015
Bremen steht an einem Scheideweg. Der Stadtstaat verzeichnet seit Jahren bundesweite Negativ-Schlagzeilen: das Bundesland mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung, das Bundesland mit der höchsten Armutsquote, das Bundesland mit dem höchsten Anteil an prekärer Beschäftigung, das Bundesland, in dem der Bildungserfolg am stärksten von der sozialen Herkunft abhängt. In den letzten Jahren wurde Bremen nur noch verwaltet. Unter Hinweis auf die Haushaltsnotlage wurde Personal abgebaut und die öffentliche Infrastruktur vor die Wand gefahren. Aktive Armutsbekämpfung fand nur in Sonntagsreden statt. Nach der Bürgerschaftswahl scheint nichts darauf hinzudeuten, dass die rot-grüne Koalition einen Kurswechsel vornimmt. Die Bremer Krise fällt nun mit einem weltweiten Umbruch zusammen. Migration und Flucht ist seit Jahrzehnten die Antwort auf immer schwierigere Existenzbedingungen in vielen Regionen dieser Welt. Europas Antwort lautete seit 25 Jahren Abschottung, zum Teil mit tödlichen Folgen. Die immer größer werdenden Not führt nun dazu, dass dieses Abschottungssystem ausgedient hat. Die weltweiten Wanderungsbewegungen lassen sich nicht aufhalten. Die Menschen, die vor dem Elend der Welt fliehen, kommen nun schutzsuchend zu uns. Letztendlich ist dies nichts anderes als eine globale Umverteilungsbewegung von unten, eine Bewegung der Verzweifelten.
Im Jahr 2014 waren ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht, die Hälfte von ihnen sind Kinder. Die meisten dieser Menschen fliehen soweit sie müssen und bleiben dort, wo es aushaltbar ist oder dort, wo ihnen eine weitere Flucht versperrt ist. Die meisten Geflüchteten befinden sich derzeit in Afrika, auf dem indischen Subkontinent und in den arabischen Staaten. Um es zu verdeutlichen: Aus Afghanistan und Syrien flüchteten jeweils an die 2,5 Millionen Menschen, aus Somalia ca. 1,2 Millionen und aus dem Irak gut 400 000 Menschen. Die meisten dieser Flüchtlinge leben heute in riesigen Flüchtlingslagern in der Türkei, in Pakistan, im Libanon und im Iran. Soziale Lage, Wirtschaftskraft in diesen Aufnahmeländern sind nicht einmal vergleichbar mit der Situation in den meisten europäischen Ländern. Trotzdem müssen sie bislang mit ganz anderen Dimensionen von Flucht und Vertreibung klar kommen, als Europa. Die Lage in den Flüchtlingslagern vor Ort ist oft katastrophal. Deutschland hingegen ist eines der reichsten Länder der Welt und tut sich gerade schwer. Und um das deutlich zu sagen: es geht überhaupt nicht mehr darum, ob Menschen kommen, oder ob das die Mehrheitsgesellschaft hier gut oder schlecht findet: Menschen fliehen vor Krieg, Unterdrückung und Elend auf der Suche nach Schutz und einem besseren Leben. Nicht nur unsere historische Verantwortung, sondern auch die Auswirkungen eines Wirtschaftssystems, was vielen Menschen in Europa einen gewissen Anteil am Wohlstand gebracht hat, verpflichten uns, diesen Menschen bei uns ein neues Leben zu ermöglichen. Fluchtursachen werden unter den gegebenen Bedingungen auf absehbare Zeit nicht zu überwinden sein, daher müssen wir uns als Gesellschaft unserer Verantwortung stellen und uns auf weitere Flucht- und Migrationsbewegungen einstellen.
Schon in den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wussten wir im Grunde, dass Migration, Flucht und Vertreibung das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts werden würde. Wirtschaftliche Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Abhängigkeiten von den Industrienationen, Kriege, und zerfallende Staaten, die Spätfolgen des Kolonialismus hatten bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für große Wanderungsbewegungen gesorgt. Viele Probleme haben sich seitdem verschärft: Kriege und Bürgerkriege, der Zerfall vieler Länder des Nahen Ostens und weiter Regionen in Afrika und vor allem die dramatische Verschlechterung der Lebens- und Existenzbedingungen in vielen Ländern Afrikas: bedingt durch Landraub durch oft europäische Unternehmen, durch die Überfischung der Meere vor den Küsten, auch oft durch europäische Fangflotten, durch die Spekulationen auf Nahrungsmittel, und durch die nicht mehr umkehrbaren Folgen des Klimawandels, zu dem die Länder der Subsahara am wenigsten beigetragen haben. Auch die Situation in den Ländern des Westbalkan hat sich für Teile Bevölkerung weiter zugespitzt. Die Verfolgung von Roma und Sinti ist eine Realität, vor der Deutschland und die EU derzeit die Augen verschließt und gleichzeitig die Grenzen dicht macht.
Die Anzahl der Menschen auf der Flucht sprengt derzeit alle Prognosen. In Bremen werden in diesem Jahr ca. 15.000 Menschen untergebracht und versorgt werden müssen. Das ist mehr als selbstverständlich in einem reichen Land wie Deutschland. Deutschland kann diesen Menschen ein Leben in Würde, ohne Angst und mit einer gesicherten Zukunft ermöglichen. Es ist keine Frage der vorhandenen Ressourcen, sondern eine Frage der Bereitschaft. Eine Frage der Bereitschaft vorhandene Ressourcen umzuverteilen und bedürfnisgerecht einzusetzen.
Genauso Selbstverständlich hätte es in den letzten Jahren sein müssen, den Menschen in Bremen und Bremerhaven, die in Armut leben oder von Armut gefährdet sind, ein Leben zu ermöglichen ohne von Wohnungslosigkeit, Strom- und Wassersperren, Ausgrenzung und Zukunftsangst bedroht zu sein. Das ist bekannter Maßen nicht geschehen. In Gegenteil, Armutsprozesse beschleunigen sich, Segregation nimmt zu und die Zahl der Menschen die auf Transferleistungen angewiesen sein, nimmt nicht ab. Die bremische Infrastruktur, die Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen, der bremische Wohnungs- und Arbeitsmarkt und die bremische Verwaltung waren in den vergangenen Jahren nicht in der Lage die Armut in Bremen zu mindern. Wesentlicher Grund dafür ist, dass für die Bekämpfung von Armutsursachen kein Geld zur Verfügung stand und steht.
Dass eben diese Infrastruktur mit der Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen endgültig überfordert ist, sollte niemand verwundern. Selbst wenn jetzt kurzfristig 150 bis 200 Millionen Euro zur Verfügung stehen, können die Versäumnisse der Vergangenheit wenn überhaupt, nur langsam aufgeholt werden. Immerhin stehen diese Mittel für eine Erstversorgung der geflüchteten Menschen zur Verfügung, es ist aber mehr als fraglich, ob sie ausreichen.
Armutsbekämpfung und soziale Frage müssen in Bremen und Bremerhaven jetzt in den Mittelpunkt rücken. Ein Bundesland, das bei der Armutsquote, bei der sozialen Gerechtigkeit in der schulischen Bildung und bei der Arbeitslosigkeit am schlechtesten dasteht, wo der Wohnungsmarkt ohnehin angespannt, die Verwaltung und die öffentliche Infrastruktur bereits durch langjährige Kürzungen geschwächt sind, ist schlecht dafür gerüstet, Zuwanderer sozial und ökonomisch erfolgreich zu integrieren. Armut, Prekarität, Unsicherheit und soziale Abstiegsängste sind auch ein idealer Nährboden für rassistische Mobilisierung. Zuwanderung kann nur positiv bewältigt werden, wenn Sozialstaat und Infrastruktur ausgebaut bzw. wiederhergestellt werden und wenn alle dabei sozial mitgenommen werden. Einfach gesagt: es muss genug für alle sein.
Wer soll das bezahlen?
Die finanziellen Rahmenbedingungen sind denkbar schlecht. Mit den Summen, die im anstehenden Nachtragshaushalt verhandelt werden, droht der bremische Haushalt die Obergrenze der Neuverschuldung zu verletzen. Es geht um ca. 250 Mio. bei einem Abstand zur Obergrenze von 190 Mio. Ein wichtiger Befund ist in diesem Zusammenhang, dass auch ohne die Ausgaben für Flüchtlinge mindestens 80 bis 90 Mio. ein Nachtragshaushalt zu verhandeln wären. In den folgenden Jahren wird die Situation noch dramatischer. In Zusammenhang mit Flucht werden Kostensteigerungen von 100 Mio. Euro pro Jahr prognostiziert und die „normalen“ Sozialleistungen steigen ebenfalls um ca. 40 Mio. Euro pro Jahr.
Wird die Obergrenze der Neuverschuldung in diesem und in den nächsten Jahren nicht eingehalten, fehlen Bremen im jedem Jahr 300 Mio. Zinsbeihilfe. Das bedeutet: Ein Bundesland, das sich um die Versorgung und Integration der Geflüchteten kümmert und das Sozialpolitik und Armutsbekämpfung für alle betreibt, würde dafür auch noch vom Stabilitätsrat bestraft. Das muss von der Landesregierung öffentlich mit allem Nachdruck skandalisiert werden. Stattdessen verkündet sie allenthalben, dass der Sanierungspfad auf jeden Fall eingehalten werden soll. Das bedeutet, wie der Senat inzwischen offen einräumt, die Senkung von Standards, also Kürzungen. Damit schließt sich der Teufelskreis auf Kürzungen folgen weitere Armutsprozesse. Aus diesem Teufelskreis gilt es auszubrechen. Wir wissen, dass ist nur möglich, wenn die Schulden die heute auf dem Bundesland Bremen lasten, nicht von künftigen Generationen bezahlt werden sondern von den Reichen von heute. Daher ist es folgerichtig, dass Vermögen, überzogenen Gewinne und hohe Einkommen höher besteuert werden.
Das bedeutet konkret die Übernahme der Kosten für geflüchtete Menschen und zu Bekämpfung von Armut durch den Bund und die Finanzierung durch eine Vermögensabgabe und die Aktivierung der Vermögenssteuer. Das bedeutet konkret die Einrichtung eines Altschuldenfonds und die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen für eine aufgabengerechte Finanzierung der Länder und Kommunen.
Wir sind auch überzeugt, dass öffentliche Schulden nicht durch die sog. Schuldenbremse sinnvoll reduziert werden können. Es ist absurd, das nach 2020 keine Zukunftsinvestitionen kreditfinanziert werden können. Insbesondere dann, wenn wie derzeit die Zinsen gering sind. Wir treten deshalb dafür ein, das die sog. Schuldenbremse aus dem Grundgesetz und den Landesverfassungen gestrichen wird und ersetzt wird durch eine Regelung, die Steuern in der für die Erfüllung öffentlicher Ausgaben notwendigen Höhe erhebt und Kreditaufnahme für Zukunftsinvestitionen zulässt.
Wir sagen: Nach Jahren in denen nichts erreicht wurde um Armut in unserem Bundesland erfolgreich zu bekämpfen, nach Jahren ständig steigender Sozialhilfeausgaben, nach Jahren der realen Haushaltskürzungen und in einer Situation wo wir dringend hilfesuchenden Menschen helfen müssen, ist es an der Zeit Reichtum zu umzuverteilen.
Der Landesparteitag erhebt daher folgende Forderungen an die neue Landesregierung:
- Bremen muss sich bereit machen für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Sie sollen hier leben und arbeiten können, ohne Angst vor Diskriminierung haben zu müssen.
- Bremen muss mit der Unterstützung vom Bund ein Programm zur Armutsbekämpfung auflegen, das Menschen aus Arbeits- und Perspektivlosigkeit herausführt.
- Das bremische Bildungssystem muss gestärkt werden, mit zusätzlichen Schwerpunkten für die besonderen Anforderungen für Flüchtlingshilfe und Armutsbekämpfung.
- Bremen braucht mehr preisgünstigen Wohnraum. Er muss sowohl für Flüchtlinge als auch für Menschen mit geringem Einkommen reichen.
- Bremen braucht Weiterbildungsmaßnahmen und Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik um die Integration von Flüchtlingen zu ermöglichen und Dauerarbeitslosigkeit aufzulösen.
- Mittel, die für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen sowie für die Bekämpfung von lokaler Armut eingesetzt werden, müssen aus der Bewertung des Sanierungspfades ausgenommen werden.
- Es muss erneut geprüft werden, ob Bremen als Bundesland eine eigene Vermögenssteuer erheben kann. Im Zweifel ist darauf hinzuwirken, dass dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Wir wissen, dass dieses Umsteuern nicht die Ursachen für Flucht und Vertreibung aufhebt. Auch wird damit allein keine Überwindung der Armut erreicht werden. Aber als reiche Gesellschaft können und dürfen wir es uns nicht mehr leisten wegzuschauen und einen großen Teil der Menschen in unserem Lande von menschenwürdigen Bedingungen und Wohlstand ausschließen. Die Auswirkungen der Agenda 2010 sind nicht mehr zu übersehen: Die Spaltung unserer Gesellschaft hat Formen angenommen, die nicht länger hinnehmbar sind.
Viele Ursachen, die zu der aktuellen Situation geführt haben liegen in unserem Wirtschaftssystem begründet. Ob Flucht vor Armut aus Ländern, die wirtschaftlich durch die westlichen Staaten ausgebeutet werden oder Spekulationen am Wohnungsmarkt, die bezahlbaren Wohnraum als Investitionsprojekt verschlingen: ohne die Diskussion in der Gesellschaft um eine gerechte Form der Verteilung und Produktion von Waren können wir nur die Symptome unseres Systems versuchen in den Griff zu bekommen.
Dennoch können wir nicht darauf warten, bis ein grundlegendes Umdenken einsetzt. Wir stellen uns der Verantwortung Forderungen und Vorschläge zu entwickeln, wie wir auch in diesem stark beschränkten Handlungsspielraums eine Verbesserung der Lebensverhältnisse erreichen können. Die aktuelle Situation ist auch Folge verfehlten Regierungshandelns der letzten Jahre. Aus unserer Sicht gibt es aber einige konkrete Punkte, die bereits heute angepackt werden könnten. Folgendes lässt sich zurecht von einer Landesregierung erwarten, die Armutsbekämpfung erst nimmt:
- Dass Armutsbekämpfung und Flüchtlingshilfe Vorrang vor Haushaltssanierung hat. Die Sanierungsvereinbarungen mit der Bundesregierung sind vor diesem Hintergrund neu zu regeln.
- Dass die Kosten für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen nicht zu Lasten anderer Haushaltsstellen insbesondere der der Sozialhilfe gehen.
- Dass die Möglichkeit geschaffen wird, bezahlbare Wohnungen mit öffentlichen Investitionen zu errichten. Die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ist überfällig
- Dass Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen personell und materiell so ausgestattet werden, dass sie den der Aufnahme von Flüchtlingen gewachsen sind und Armutsprozessen entgegenwirken können.
- Dass von Armut Betroffene und Flüchtlingen ein gleiches und ausreichendes Maß an Hilfe zukommen.
- Dass Investitionen das Ziel haben müssen Armut zu bekämpfen und die Haushalte der öffentlichen Hand zu stärken und das diese Investitionen ggf. durch Neuverschuldung finanziert werden.
- Dass die Zustimmung zur Neuordnung der Bund-Länder Finanzen davon abhängig gemacht wird, dass Bremens Haushalt auskömmlich finanziert werden kann.
- Dass sie die Umverteilung von Reichtum in Form von Vermögensabgabe, Vermögensteuer, Erbschaftssteuer und Einkommensteuer wieder auf die Tagesordnung der Bundespolitik setzt.
- Dass sie sich bundesweit für eine Reform der Sozialgesetzgebung stark macht. Wir brauchen ein sanktionsfreies Grundeinkommen und eine Kindergrundsicherung und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz, statt Hartz IV und einer weiteren Reduzierung der Leistungen für Geflüchtete.
Der Landesvorstand wird beauftragt mit anderen Organisationen in Kontakt zu treten mit dem Ziel, die Möglichkeit zu prüfen eine außerparlamentarische, landesweite Kampagne unter dem Motto „Genug für alle – Umverteilen“ ins Leben zu rufen.
Die Fraktion der Partei DIE LINKE wird aufgefordert im Parlament und insbesondere in den Haushaltsverhandlungen in Sinne dieses Antrags zu agieren.
Für soziale Gerechtigkeit – gegen ethnische Spaltung
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 14. November 2015
Flucht ist auch eine Folge der hiesigen Politik
Noch nie seit Ende des Zweiten Weltkrieges waren so viele Menschen gezwungen zu flüchten. 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht- und keine/r von ihnen hat freiwillig seine/ihre Heimat verlassen. Hinzu kommen noch 25 Millionen Klimaflüchtlinge, die nicht in der offiziellen Fluchtstatistik auftauchen. Gerade einmal 14 Prozent der weltweit Fliehenden befinden sich in den Industrieländern. In den Ländern also, deren Rüstungsindustrie, auch die Bremer Waffenkonzerne, Geschäfte macht mit dem Krieg. Den Ländern, die den Klimawandel verursacht haben und damit verantwortlich sind für die massenhafte Zerstörung von Existenzgrundlagen. Den Ländern, deren Konzerne Landgrabbing, Meeresüberfischung, Raubbau oder Lebensmittelspekulation betreiben. Die aktuelle Fluchtbewegung ist eine Form der Umverteilung, oder: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“, wie Lampedusa in Hamburg sagt. Sieben von acht Flüchtlingen sind Binnenvertriebene oder leben in naheliegenden Ländern, deren Möglichkeiten weit unter den hiesigen sind. Den PolitikerInnen, die meinen, die Aufnahmefähigkeit der BRD würde an ihre Grenzen kommen, denen sei ein Blick in die Flüchtlingscamps im Libanon, dem Irak oder auf Lesbos empfohlen.
Über Jahrzehnte haben die Industrieländer sich mit Grenzüberwachung, stacheldrahtbespickten Zäunen oder Frontex gegen die Folgen ihrer Politik – nämlich gegen Vertriebene, abgeschottet. Aber selbst die bestbewachten Grenzen werden überwunden. Mobilität von Menschen ist – ebenso wie die Mobilität von Waren, Kapital oder Kommunikationswegen, zur Normalität geworden. Die Vorstellung dichter Grenzen oder der Steuerbarkeit von Migration ist von der Realität längst überholt. Auch die innereuropäische Abschottung durch das Dublin-System ist faktisch außer Kraft gesetzt. Die Folge von Grenzabschottung ist nicht die Verhinderung von Einwanderung, sondern dass Zehntausende ihr Leben verlieren. Das Mittelmeer ist zum gefährlichsten Fluchtweg der Welt geworden. Tagtäglich fordert es Menschenleben, weil Flucht noch immer illegal ist. Die EU schafft damit die Geschäftsgrundlage der Schlepper, die Flüchtende in seeuntaugliche Boote oder luftdichte Container verfrachten.
Auch überwundene EU-Grenzen bedeuten für Flüchtende nicht, dass fortan keine Grenzen bestehen. Innerhalb Europas werden die Zäune wieder hochgezogen. RegierungschefInnen hetzen offen rassistisch gegen Schutzsuchende und lassen sie im draußen in Kälte und Matsch stehen. Das ist Menschen unwürdig, und das ist Europa unwürdig. Wenn die EU noch irgendeine Vision von einem besseren Leben erfüllen will, dann darf das nicht das Leben Zehntausender kosten, sondern dann muss es ein gutes Leben für alle auf diesem Kontinent geben. Dann braucht es die Festschreibung universeller sozialer Grundrechte wie eine Existenzsicherung, Zugang zu Bildung und Arbeit, wirksamer Schutz vor Verfolgung, insbesondere in Bezug auf Roma und andere ethnische Minderheiten.
„Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, dürfen nicht abgewiesen oder abgeschoben werden. Wir fordern die Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl und kämpfen gegen die Illegalisierung von Flüchtlingen, gegen Abschiebungen, gegen jede Form von Sondergesetzen wie die Residenzpflicht sowie gegen Sammellager. Die Abschottungspolitik der EU ist unmenschlich – wir wollen keine Festung Europa. DIE LINKE richtet ihre Flüchtlingspolitik nach Humanität und Menschenrechten, so dass der Schutz von Menschen in Not im Vordergrund steht und ordnungspolitische oder ökonomische Überlegungen. Deshalb setzt sich DIE LINKE für die Abschaffung der Grenzschutzagentur FRONTEX ein, die das wichtigste Abschottungsinstrument der EU darstellt.“ (Grundsatzprogramm der LINKEN)
Wir fordern:
- Fluchtursachen bekämpfen! Für einen fairen Welthandel, Verbot von Lebensmittelspekulation, Raubbau und Rüstungsexporten.
- Fähren statt FRONTEX! Legale Fluchtwege für Menschen in Not- jetzt sofort! FRONTEX abschaffen!
- Weg mit dem Dublin-System, für die freie Wohnortwahl. Gelder verteilen statt Menschen!
- Für ein Bremer Rüstungskonversionsprogramm! Nein zu Waffenexporten!
- Universelle soziale Grundrechte für alle Menschen in Europa
Krieg und globale Ausbeutung sind die wesentlichen Fluchtursachen. Die deutsche Bundesregierung hat gerade eben Panzer-Exporte nach Katar genehmigt, das direkt im Jemen Krieg führt. Deutsche Banken sind über Fondsgesellschaften am sogenannten „Land Grabbing“ in Afrika beteiligt, bei dem Investoren sich Ackerland unter den Nagel reißen und die Existenzgrundlage von Kleinbauern zerstören. Wir fordern das Verbot aller Waffenexporte und die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir fordern die Wiederauflage eines Konversionsprogramms zur Umstellung militärischer auf zivile Produktion; Rüstungsunternehmen, die sich solchen Programmen verweigern, wollen wir in öffentliches Eigentum überführen. Schluss mit der wirtschaftlichen Ausbeutung des globalen Südens, Nein zu TTIP, CETA, Strukturanpassungsprogrammen und Lebensmittelspekulation! „Solange die Entscheidungen großer Unternehmen sich an den Renditewünschen statt am Wohl der Allgemeinheit orientieren, ist Politik erpressbar und Demokratie wird ausgehöhlt. Eine soziale, friedliche, umweltgerechte, demokratische Gesellschaft erfordert, dass die ökonomische Macht derer, die an Armut, Ausbeutung, Naturzerstörung, Rüstung und Kriegen verdienen, zurückgedrängt und überwunden wird.“ (Grundsatzprogramm der LINKEN)
Am Mangel an sozialer Daseinsvorsorge sind nicht Geflüchtete schuld, sondern die Kürzungspolitik!
Die Bundesrepublik und auch Bremen erleben die globale Fluchtbewegung zur Zeit aus nächster Nähe. Wir sehen jetzt in unseren Nachbarschaften, was vorher in die libanesischen Flüchtlingscamps oder in die Abschiebeknäste vorgelagerter EU-Mitgliedstaaten verbannt war. Wir begreifen jetzt auf einer anderen Ebene, dass Menschen kommen mit ihrer ganzen Individualität, und nicht anonyme Massen. Viele Menschen treten zum ersten Mal in Kontakt mit Geflüchteten und lernen von ihnen, was es bedeutet, vertrieben zu sein. Die oft bewundernswerte Solidarität und Unterstützung ist zu begrüßen, auch unsere Mitglieder bringen sich ein. Ehrenamt darf aber nicht dauerhaft staatliche Strukturen ersetzen, es kann sie nur ergänzen.
Die Mängel auf dem Wohnungsmarkt, im Bildungswesen oder beim KiTa-Ausbau spitzen sich bei wachsender Bevölkerung zu, aber sie bestanden auch vorher schon.
Seit Jahrzehnten fehlen in Bremen Krippen- und Kindergartenplätze. Das ging schon damals auf Kosten der Alleinerziehenden, der Kinder aus armen Familien und auf Kosten der Erwerbsbeteiligung vor allem von Frauen. Der Senat hat den Krippenausbau über Jahre verschleppt und gewährleistet auch heute nicht die Betreuung von Kindern, besonders unter 3Jährige und Grundschulkinder sind oft unbetreut. DIE LINKE fordert deswegen seit Langem bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote.
Schon seit Jahren fehlen LehrerInnen an Bremens Schulen, auf Kosten der SchülerInnen, der Unterrichtsversorgung und der beschäftigten Lehrkräfte. Aus Sicht der LINKEN sind allein zur Kompensation von Unterrichtsausfall 200 zusätzliche LehrerInnen notwendig. Zur Umsetzung des Rechts auf Bildung für alle Kinder und jungen Menschen sind mindestens noch einmal so viele notwendig. Die Formel ist einfach: für 15 zusätzliche SchülerInnen braucht man 1 zusätzliche Vollzeit-Lehrkraft (das ergibt sich aus der ausgewiesenen durchschnittlichen Schüler-Lehrer-Relation von 15:1, bei aktuellen Klassengrößen von 25 bzw. 30 SchülerInnen).
Bereits bevor minderjährige unbegleitete Flüchtlinge das Jugendhilfesystem herausforderten gab es einen Mangel in der Jugendhilfe. Rund die Hälfte der fremdplazierten Kinder und Jugendlichen mussten außerhalb Bremens untergebracht werden, weil es in Bremen keine Plätze gab. Jetzt sind es zwei von drei jungen Menschen.
Schon bevor vermehrt Geflüchtete Wohnraum brauchten, herrschte Wohnungsnot in Bremen. Der Senat förderte seit Auflage eines Wohnraumförderungsprogramms nur 350 Wohnungen pro Jahr, während über 800 Sozialwohnungen in der gleichen Zeit wegfielen. Sozialwohnungen wurden vom Senat also nicht einmal erhalten, geschweige denn ausgebaut, sondern zurückgefahren. Auch öffentlicher Wohnungsbestand wurde weitgehend privatisiert. Dabei sind kommunale Wohnungen und kommunaler Wohnungsbau auch für die öffentliche Hand die preiswerteste Lösung, um genügend günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Die neue Zuwanderung darf nicht in einen Anstieg der bereits viel zu hohen Massenarbeitslosigkeit münden. Dafür ist außer Qualifizierung auch endlich wieder öffentliche Beschäftigungspolitik nötig. Nach dem Niedergang der Werften wurden in Bremen mehr als 5.000 tariflich bezahlte ABM-Stellen geschaffen. Nach der Wiedervereinigung wurden in den neuen Bundesländern, aber auch in den strukturschwachen West-Ländern tausende sozialversicherte Beschäftigungsmaßnahmen öffentlich finanziert. Auch in der jetzigen Situation ist genau das nötig: Ein öffentliches Beschäftigungsprogramm mit 2.000 sozialversicherten, tariflich bezahlten Jobs für das Bundesland Bremen, um Arbeitslosigkeit zu senken und berufliche Neuorientierung zu ermöglichen, für alle Erwerbslosen, einschließlich der Geflüchteten. „Arbeiten für Lau“ ist keine Alternative, denn es beinhaltet keinen konjunkturellen Impuls. Genau das aber wird derzeit betrieben: mit Ein-Euro-Jobs und Null-Euro-Jobs, oder für Geflüchtete demnächst möglicherweise als unbezahlte „Praktika“.
Der Sparzwang der öffentlichen Haushalte bei gleichzeitig steigendem Privatvermögen ist die Ursache für diese Mängel. Wir haben eine Verteilungskrise, keine „Flüchtlingskrise“. Und wir müssen ein Politikversagen bei der Lösung des jetzt zugespitzten Mangels feststellen. Leidtragende an fehlendem bezahlbarem Wohnraum oder Bildung sind die ökonomisch Schwachen, gleich welcher Herkunft. Geflüchtete sind diejenigen, die diesen Mangel am stärksten spüren müssen. Frauen und Mädchen erleben auf der Flucht zudem häufig sexualisierte Gewalt. Hier sind eigene Wohnmöglichkeiten und eine spezifische Betreuung notwendig.
Die Unterbringung von weit über 1000 Menschen in Zelten, Turnhallen, im Polizeigewahrsam oder der Bundeswehr und die Obdachlosigkeit von hunderten in Bremen ist menschenunwürdig, ebenso wie das Leben auf der Straße. DIE LINKE setzt sich für ein Menschenrecht auf Wohnen ein, jetzt erst recht! Denn diese Zustände sind nicht alternativlos. Zur gleichen Zeit stehen hunderte Gebäude- Büroetagen, Gewerbeimmobilien, Spekulationsobjekte in Bremen leer. Dieser Leerstand muss Wohnraum werden!
Der Senat begründet eine gesetzwidrig niedrige Personalausstattung der Kinder- und Jugendhilfe damit, dass er keine pädagogischen Fachkräfte finden würde, aber er bezahlt eine Tarifgruppe schlechter als die Umlandgemeinden, Hamburg und sogar Bremerhaven. Jugendhilfestandards werden um ein Vielfaches unterschritten. Während in stationären Jugendhilfeeinrichtungen Betreuungsschlüssel von 1:3 üblich sind, kommen auf eine/n BetreuerIn in manchen Jugend-Massenunterkünften mehr als 30 Jugendliche. DIE LINKE setzt sich für eine Jugendhilfe ein, die jungen Menschen auch helfen kann und bei der die Beschäftigten angemessene Wertschätzung erhalten.
Die Spaltung der von unzureichender sozialer Daseinsvorsorge Betroffenen nach Herkunft, wie sie von Senat bis Bundesregierung durch Fortführung der Kürzungspolitik und der Kampagne gegen Balkan-Flüchtlinge betrieben wird, ist brandgefährlich. Sie ist der Nährboden für den Rassismus, der sich in brennenden AsylbewerberInnenunterkünften, islamophober Hetze und Übergriffen – auch in Bremen - äußert. Der Staat tut nicht für die einen (Geflüchtete, also sozioökonomisch Benachteiligte mit Fluchthintergrund) alles während er andere (sozioökonomisch Benachteiligte ohne Fluchthintergrund) vernachlässigt, wie manche meinen. Nein: Er vernachlässigt beide!
Die aktuelle Situation ist die Chance für alle Betroffenen und uns als Partei, gemeinsam gegen den Sozialabbau anzugehen. Dabei geht es nicht um ein „wir“ und ein „ihr“, sondern darum, universelle soziale Grundrechte und eine sozial gerechte Verteilung von Wohlstand durchzusetzen.
Wir fordern:
- Leerstand zu Wohnraum! Beschlagnahme aller geeigneten, leerstehenden Immobilien unabhängig von ihrer Größe zur kurzfristigen Unterbringung Wohnungsloser.
- Öffentlichen Sozialen Wohnungsbau JETZT! Bau von jährlich mindestens 2000 Wohneinheiten in öffentlicher Hand für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit Bedrohte jeder Herkunft, Studierende, GeringverdienerInnen, Erwerbslose.
- Ausreichend KiTa- und Schulplätze für alle Kinder und Jugendlichen in Bremen! Nötig sind 3000 zusätzliche KiTa-Plätze und bedarfsdeckende Schulplätze mit der entsprechenden Einstellung von zusätzlichen Lehrkräften und ErzieherInnen und dem Bau zusätzlicher Schulen und KiTas
- Keine Absenkung von Jugendhilfestandards bei unbegleiteten jungen Flüchtlingen! Einstellung von zusätzlichen SozialpädagogInnen beim Jugendamt, Amtsvormundschaft und bei den Freien Trägern. Gleichstellung mit den Umlandgemeinden, Hamburg und Bremerhaven bei der Bezahlung!
Keine sozialen und Arbeitsrechte zweiter Klasse! Bleiberecht statt Abschiebungen! Gesellschaftliche Inklusion statt Isolation!
Statt endlich für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen, simulieren Bundes- und Landesregierungen Aktionismus durch die Verabschiedung neuer Gesetzespakete. Im so genannten „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ sind einige wenige Verbesserungen mit den massivsten Asylrechtsverschärfungen seit 1993, dem ersten „Asylkompromiss“, enthalten. Es sind zusätzlich zu den fünf bestehenden drei weitere Herkunftsländer als „sicher“ deklariert worden. „Sicher“ soll nun der Kosovo sein, in dem 5000 deutsche KFOR-Soldaten stationiert sind, „sicher“ sollen Serbien, Mazedonien oder Albanien für Roma sein, wo sie systematisch ausgegrenzt werden, sicher soll weiterhin der Senegal sein, wo homosexuellen Paaren fünf Jahre Haft droht. Für Asylgesuche aus diesen Ländern gilt die Umkehr der Beweislast. Nicht die Behörden müssen, wie in anderen Asylverfahren, auf Plausibilität prüfen, sondern die Asylsuchenden Verfolgung nachweisen- ein Ding der Unmöglichkeit bei staatlicher oder vom Staat tolerierter Verfolgung und Ausgrenzung.
Menschen aus diesen Ländern werden fortan in Sonderlager gesteckt werden, ihre Sozialleistungen werden auf eine Unterkunft und Essensversorgung reduziert, sie sollen mit Sachleistungen bevormundet und mit Arbeitsverboten isoliert werden. Schließlich sollen sie ohne Ankündigung abgeschoben werden. Das ist ein unzumutbarer Übergriff in das Leben der Betroffenen. Abschiebungen konterkarieren jeden Gedanken an Bewegungsfreiheit, Selbstbestimmung und Freiheit vor staatlicher Gewalt. Abschiebungen reißen Menschen und Familien aus ihrem sozialen Umfeld, das sie über Jahre aufgebaut haben. Sie sind ein enormer Aufwand für die öffentliche Hand, der besser in die gesellschaftliche Inklusion investiert wäre. Selbst wenn man diesen Übergriff für vertretbar hielte: Auch wenn alle juristisch vollziehbar Ausreisepflichtigen abgeschoben würden: Sie machen nur 1 bis 2 Prozent der dieses Jahr Neuankommenden aus. Wer so tut, als würde durch Abschiebungen der Wohnungsmangel oder die Finanznot Bremens gelöst, betreibt Schaufensterpolitik auf dem Rücken der Familien, die dann nachts von der Polizei aus dem Bett gerissen werden. Die in Existenznot, unwürdige Lebensverhältnisse und systematische Diskriminierung abgeschoben werden, trotz bekannter systematischer Menschenrechtsverletzungen.
- Wir verurteilen die jüngste Asylrechtsverschärfung und fordern ihre Rücknahme! Wir fordern die Abschaffung der Liste der „Sicheren Herkunftsstaaten“ auf Bundes- und EU-Ebene.
- Gegen die Unterteilung in Kriegs- und sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“! Alle Fluchtursachen anerkennen!
- Ein Existenzminimum zweiter Klasse darf es nicht geben, die Menschenwürde ist unverhandelbar! Statt Sondergesetzen, die lediglich der Abschreckung dienen, sollen alle hier lebenden Menschen in die Grundsicherung aufgenommen werden. Würden Asylsuchende ALGII bekommen, dann würde sich der Bund auch dauerhaft an den Kosten der Unterkunft beteiligen, es wäre also auch noch von Vorteil für die klammen Kommunen.
- Das Revival der Schikane durch Gutscheine und Sachleistungen, der Isolation durch Lagerzwang und Arbeitsverbote gießt Rassismus in Gesetzesform macht die rassistische Konzeptlosigkeit der politisch Herrschenden deutlich.
- Die Unterscheidung in vermeintlich „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge konterkariert die Universalität des Asylrechts. Sie ist Hetze gegen unerwünschte Gruppen, vor allem der Roma. Diesem Antiziganismus stellen wir uns entgegen!
- Keine Abschiebungen, erst recht nicht in Winterkälte, Existenzlosigkeit und Verfolgung!
Die Politik der Bundesregierung, die auch von Teilen des Senats und den Oppositionsparteien rechts von der Koalition mitgetragen wurde, ist ein Fischen am rechten Rand. Von der wachsenden sozialen Spaltung soll abgelenkt werden durch eine Spaltung nach Herkunft. Manche Konzerne reiben sich schon die Hände nach den Fachkräften und schämen sich nicht zu fordern, den Mindestlohn bei der Beschäftigung von Geflüchteten auszuhebeln. Wir distanzieren uns von jeder Nützlichkeitslogik. Schutz darf nicht abhängig sein von einem Nutzen für die Volkswirtschaft. Und dennoch besteht ein solcher. Eingewanderte sind keine Belastung, wie so oft zu hören ist. Wie alle anderen konsumieren sie, zahlen Steuern, zahlen in die Sozialversicherung ein und damit auch die Rente der jetzigen Rentenbeziehenden. Das muss aber auch ermöglicht werden, dafür braucht es mehr Sprachkurse, eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die Einhaltung der Mindest- und Tariflöhne statt Arbeitsverbote und Leistungsentzug.
Die klare Haltung vieler Gewerkschaften dazu begrüßen wir. Wir stellen uns gemeinsam gegen die Ausbeutung von Beschäftigten jeder Herkunft, gegen Arbeits- und soziale Rechte zweiter Klasse und für starke ArbeitnehmerInnenrechte.
Die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz hat auch in der LINKEN begonnen. Fakt ist, dass allgemein legale Einwanderungswege fehlen. Die Einwanderung aus Fluchtgründen ist illegalisiert, was Skandal genug ist. Die Einwanderung aus anderen Gründen, die es ja gibt, ist extrem restriktiv gestaltet. ArbeitnehmerInnen müssen sogenannte Mangelberufe ausüben oder auf Anhieb mindestens 44.800 Euro verdienen, wovon nur wenige Gebrauch machen können. Diese Restriktion wirkt selektiv und lässt nur die volkwirtschaftlich besonders Nützlichen rein.
Grundsätzlich ist die Legalisierung von Einwanderung dringend nötig. Die Frage dabei ist: Einwanderung mit Voraussetzungen oder Migration als Grundrecht? Und wenn Voraussetzungen, welche können das sein, ohne eine Nützlichkeitsauswahl anzuwenden? Wo bewegen wir uns zwischen dem Recht auf Bewegungsfreiheit, Arbeitsmarkt und Lohnpolitik? Diese Fragen müssen wir diskutieren.
Der Landesvorstand wird daher gebeten, ein geeignetes Diskussionsformat anzubieten.
Es sind deutsche Banken und Konzerne und deren private Eigentümer, die an Rüstungsgeschäften und der Ausbeutung armer Länder verdienen und damit direkt und indirekt zu Fluchtursachen beitragen. Sie haben Millionen und Milliarden auf dem Konto. Man muss sie für die Folgekosten der Flüchtlingskrise zur Kasse bitten. Weg mit der Schuldenbremse, für eine Millionärsteuer und für eine stärkere Besteuerung der Banken und Konzerne!
Die Haushaltskrise darf nicht zur Demokratiekrise werden! Gegen Entdemokratisierung, für breite Teilhabe aller!
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 15. November 2015
Demokratie schafft nicht nur Lebensqualität, sie spart auch viel Geld. Viele unsinnige Projekte wären vermieden worden, viele Investitionsruinen der Bevölkerung erspart geblieben, viele negative soziale, ökologische oder städtebauliche Entwicklungen abgewendet worden, wenn es eine funktionierende demokratische Entscheidung und Mitgestaltung gegeben hätte. Lobbyismus, Zentralismus, Verwaltungsherrschaft und vermeintliche Sachzwänge sind auf Dauer teuer.
Unmittelbar gesehen, kostet funktionierende Demokratie allerdings auch Geld, denn sie benötigt Ressourcen: dezentrale Budgets müssen bereitgestellt, partizipative Verfahren organisiert, öffentlicher Sachverstand und öffentliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden. Manches, was durch einen demokratischen Prozess bessere Lösungen hervorbringt, dauert erstmal länger. Bürgerbeteiligung zahlt sich langfristig aus – kurzfristig ist sie einer Regierung, die auf immer weitergehende Haushaltskürzung orientiert, dagegen ein Dorn im Auge.
Daher mehren sich die Fälle, in denen der Senat inzwischen auf die Haushaltskrise mit einem handfesten Programm der Entdemokratisierung reagiert. Die im Beirätegesetz versprochenen Stadtteilbudgets sind nie eingerichtet worden – jetzt wird über ihre Abschaffung nachgedacht, bevor sie jemals existiert haben. Die Impulsmittel, mit denen oft lange auf Beiratsebene geforderte Projekte realisiert werden konnten, werden ebenfalls abgeschafft. Die parlamentarische Kontrolle über die Unternehmen des Landes und der Stadtgemeinden wird vom Senat einer radikalen Schrumpfkur unterzogen – in den ca. 70 öffentlichen Unternehmen sollen nur noch ganze 5 Aufsichtsratssitze übrigbleiben, die von Abgeordneten besetzt werden, womit insbesondere die Opposition kaum noch Zugang zu den Entscheidungen öffentlicher Unternehmen hat, von der BSAG bis zur BLG, von den Bädern bis zum Theater, von den kommunalen Kliniken bis zu Immobilien Bremen. Das Petitionsrecht will Rot-Grün massiv einschränken: SPD und Grüne wollen künftig keine Petitionen mehr zulassen, die sich auf laufende Projekte, laufende Gesetzesvorhaben sowie generell auf Bauprojekte beziehen – eine Aushöhlung des Petitionsrechts, die nicht zuletzt durch Protest der LINKEN vorläufig vertagt wurde, aber keineswegs aufgegeben ist. Im Zuge des Personalabbaus findet eine schleichende Privatisierung von Entscheidungen statt, weil für viele wichtige kommunale Prozesse gar kein öffentlicher Sachverstand und keine öffentliche Kompetenz mehr vorgehalten wird – es gibt keinen kommunalen Wohnungsneubau, kein öffentliches Hochbauamt, die Kultur der teuren externen Gutachten wuchert ungebremst, der Ganztagsschulausbau vollzieht sich überwiegend mit externem Personal, die Flüchtlingswohnheime sind allesamt in der Regie privater Träger. Auch eine Verlängerung der Legislaturperiode auf 5 Jahre steht auf der Planung von Rot-Grün – erstens ist seltener Wählen billiger, und zweitens wird die Phase dazwischen länger, in der man auf die Ansprüche der Bevölkerung weniger Rücksicht nehmen muss.
DIE LINKE setzt sich den Prozessen der offenen und schleichenden Entdemokratisierung entgegen. Die Haushaltskrise darf nicht zur Demokratiekrise werden. Konkret fordern wir:
- Die Stadtteilbudgets müssen endlich eingerichtet und angemessen ausgestattet werden. Die Stadtteilbudgets sollen zu Bürgerhaushalten weiterentwickelt werden, bei denen die EinwohnerInnen im Stadtteil selbst entscheiden, nach dem Vorbild der Stadtteilversammlungen, wie sie in den WiN-Gebieten bereits praktiziert werden.
- Die Impulsmittel müssen entweder erhalten oder durch ein anderes Instrument ersetzt werden, mit dem sozialräumlich wichtige Kleinprojekte in den Stadtteilen realisiert werden, die von den Beiräten vorgeschlagen werden.
- Die parlamentarische Kontrolle der Bremischen Gesellschaften muss ausgebaut werden. Wir fordern, dass die Opposition mindestens an den Aufsichtsräten aller öffentlichen Unternehmen beteiligt wird, die mehr als 100 Beschäftigte und/oder einen Jahresumsatz von über 20 Mio. Euro haben. Aufsichtsratsposten sollen von Parlaments-, Regierungs- und VerwaltungsvertreterInnen grundsätzlich unentgeltlich wahrgenommen werden.
- Hände weg vom Petitionsrecht! Das Grundrecht auf Petition darf nicht angetastet werden. Stattdessen wollen wir eine Weiterentwicklung des Petitionsrechts durch mehr Öffentlichkeit, erleichterte Verfahren, definierte Rechte von Petenten und in einem bestimmten Rahmen auch aufschiebende Wirkung. Petitionen dürfen nicht liegengelassen werden, bis der Senat anderweitig Fakten geschaffen hat.
- Die Beteiligung bei größeren Bauvorhaben muss frühzeitig, ergebnisoffen und verbindlich festgeschrieben werden. Wir wollen ein entsprechendes Bürgerbeteiligungsgesetz, das auch die Möglichkeiten einschränkt, das Ergebnis von Beteiligungsprozessen schlicht über den Haufen zu werfen, weil sie nicht in die Kalkulation des Investors passen.
- Die Einschränkung von Beiratsrechten, wie sie derzeit bei der Flüchtlingsunterbringung aus Gründen des Zeitdrucks praktiziert wird, darf nicht zur Gewohnheit und nicht zum Muster für andere Fälle werden.
- Der Verkauf städtischen Grunds darf nicht in der alleinigen Entscheidung der Verwaltung liegen.
- Wir fordern eine kritische Prüfung der öffentlichen Verwaltung unter dem Gesichtspunkt, welche Demokratieverluste durch Personal- und Strukturabbau bereits entstanden sind und wie diese wieder korrigiert werden können.
- Seltener Wählen ist keine angemessene Reaktion auf Wahlenthaltung. Wir lehnen eine Verlängerung der Legislaturperiode auf 5 Jahre ab. Stattdessen fordern wir Bürgerschaft, Verwaltung und Fraktionen auf, in den Stadtteilen und insbesondere in den benachteiligten Quartieren einen öffentlichen Dialogprozess zu organisieren, bei dem Gründe für Wahlenthaltung, Enttäuschung über politische Institutionen und Skepsis über die Wirksamkeit demokratischer Verfahren auf den Tisch kommen und notwendige Konsequenzen ermittelt werden.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung statt überwiegend Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 15. November 2015
Aus ehrenamtlicher Arbeit soll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung werden.
Die rotgrüne Koalition in Bremen und die rotschwarze Koalition in Bremerhaven werden dazu aufgefordert, weitere sozialversicherungspflichtige Stellen in der Betreuungsarbeit von Flüchtlingen zu schaffen.
Änderung der Landessatzung
Beschluss des 17. Landesparteitages vom 14. November 2015
§7 Absatz (1) der Landessatzung wird wie folgt neu gefasst:
„(1) Der Landesverband Bremen gliedert sich in Kreisverbände, wobei im Bereich der kreisfreien Stadt Bremen mehrere Kreisverbände bestehen können.“