Beschlüsse des 22. Landesparteitages
An dieser Stelle dokumentieren wir die Beschlüsse des 22. Landesparteitags.
1) Stadt für Alle - Mobilität für Alle!
2)Gottlieb Daimler-Str. jetzt schließen!
3) Kommunale Gesundheitsvorsorge braucht eine starke GeNo
4) Pflegenotstand stoppen - Kampagne in Bremen umsetzen
5) Baulöwe, Miethai, Polit-Lemming - Nein zum "City-Grabbing" - Für das Recht auf Stadt für alle
6) DIE LINKE als familienfreundliche Partei: Parteiveranstaltungen für alle
7) Debatte um Bremer Außenstelle des BAMF darf nicht zulasten Geflüchteter gehen
8) Die Debatte um das Grundeinkommen voranbringen
9) Für ein recht auf Ausbildung in Bremen - Landesausbildungsumlage jetzt!
Stadt für Alle - Mobilität für Alle!
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. Mai 2018
In Berlin regiert erneut eine große Koalition, die die brennenden Fragen von Armut, sozialer Spaltung und ökologischer Krise nicht lösen will. Diese Politik und der gesellschaftliche Rechtsruck zeichnen auch das Leben vieler Menschen in Bremen und Bremerhaven – unsichere Beschäftigung, steigende Mieten, zunehmender Rassismus und Sexismus, eine vielfach zerfallende öffentliche Infrastruktur und fehlendes Personal in öffentlichen Diensten, Bildung und Pflege machen sich bemerkbar.
Bremen braucht deshalb dringend einen Senat und eine Bürgerschaftsmehrheit, die sich diesen Fragen entschieden annehmen, die bezahlbare Wohnungen in kommunaler Hand bauen, die Schulen und Kitas sanieren, in ausreichender zahl neu bauen und mindestens auf dem Standard vergleichbarer Bundesländer finanzieren, Armut bekämpfen, vor Ort für eine sozial-ökologische Energie- und Verkehrswende sorgen, durch gezielten Personal- und Referatsausbau die Handlungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes wieder umfassend herstellen und die soziale Spaltung der Stadt und des Landes stoppen. Diese Themen waren und sind uns als Partei wichtig und aktuelle Umfrageergebnisse zeigen, dass diese Themen und Forderungen vielen Menschen in unserem Land wichtig sind. Dafür treten wir zu den Wahlen 2019 mit Vorschlägen an, was wir auf Landes-, kommunaler und Stadtteilebene bewegen wollen, um Bremen sozialer und ökologischer zu machen. Wir bekräftigen die Beschlüsse des Landesparteitags vom letzten Mai, wie wir mit kommunalem Bauen, einem Umsteuern bei der Gewoba und einem Stopp des Verkaufs öffentlicher Flächen gegen die rasant steigenden Mieten sowie den Mangel an Grundstücken für neue Kitas und Schulen vorgehen wollen.
Im Sinne einer ökologischen und sozialen Verkehrswende befürworten wir einen kostenlosen, attraktiven und gut ausgebauten ÖPNV und eine flächendeckende gute Fahrradinfrastruktur, zu der auch ein gut funktionierendes stationsbasiertes Leihradsystem ähnlich dem Hamburger Stadtrad gehört.
Wir fordern, dass der Bund den Kommunen die Mittel zur Verfügung stellt, attraktiven und kostenfreien ÖPNV anzubieten. Bis dahin wollen wir aber auch Lösungen entwickeln, die allein in Bremen und Bremerhaven bzw. im VBN funktionieren. In Frage kommen dazu eine besondere Unternehmensabgabe, Gewerbesteuern und Tourismusgebühren sowie eine sozial gestaffelte Umlage . Diese Instrumente werden wir weiter diskutieren und bis zur Bürgerschaftswahl ein durchgerechnetes Konzept vorlegen.
Wir begrüßen und unterstützen alle Schritte in diese Richtung wie ein Stadtticket (Sozialticket) für maximal 20 Euro, ein Azubiticket analog zum Semesterticket für Studierende, oder die ver.di-Forderung nach einem voll vom Arbeitgeber finanzierten Jobticket für den öffentlichen Dienst.
Eine Verlagerung von Verkehr auf den ÖPNV verbessert die Luftqualität und rettet damit Menschenleben, verringert Staus, und erhöht die Attraktivität und Lebensqualität in Bremen und Bremerhaven.
Dass nach wie vor Menschen in Gefängnissen sitzen, weil sie ohne Ticket Bus oder Bahn gefahren sind, ist absurd – schwarzfahren darf keine Straftat mehr sein, sondern nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Bremen muss sich im Bundesrat dafür einsetzen, das Strafgesetzbuch entsprechend zu ändern und auf Landesebene alle Spielräume ausnutzen, um die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen abzuwenden.
Vorbereitung der Bürgerschafts-, Beirats-, und Stadtverordnetenversammlungswahlen 2019
Wir wollen bei den Wahlen 2019 gegenüber der letzten Wahl deutlich zulegen. Das hervorragende Ergebnis bei den Bundestagswahlen und die zahlreichen Neumitglieder des letzten Jahres machen Mut und geben uns Rückenwind. Gleichzeitig wissen wir, dass ein gutes Ergebnis im nächsten Jahr nicht garantiert ist, sondern weiter harte Arbeit von uns erfordert.
Wir bekräftigen den Beschluss des Landesparteitages vom Mai 2017: „Ein Politikwechsel nach links mit entschiedenen Investitionen in die öffentliche und soziale Infrastruktur Bremerhavens und Bremens, in kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, eine soziale und ökologische Entwicklung von Stadtraum und Mobilität ist gegen das Auftürmen sozialer Schulden und Ungleichheiten dringend nötig. […] Nur für einen solchen Politikwechsel sind wir bereit, in eine Landesregierung einzutreten - darunter nicht. […] Für die Fortsetzung einer Politik, die die Handlungsfähigkeit des Öffentlichen durch Personalabbau und Kürzungen massiv beschädigt hat, stehen wir auch bei kosmetischen Korrekturen nicht zur Verfügung.“
Deshalb arbeiten wir weiter mit Nachdruck an der inhaltlichen Vorbereitung unseres Wahlprogramms – nach den Foren zu Wohnen und Stadtentwicklung, Flucht und Migration sowie Bildung werden wir uns wie 2016 beschlossen noch gesondert mit der Gestaltung des öffentlichen Diensts, Verkehr und Klimaschutz sowie Finanzen und der Umverteilung von Reichtum widmen.
Der Landesvorstand und die von ihm beauftragte Redaktionsgruppe erarbeiten auf Grundlage dieser Vorarbeit einen Entwurf für das Wahlprogramm, der allen Delegierten mit der Einladung zum Programmparteitag im Herbst zugeht. Damit der für den 25.11.2018 geplante Programmparteitag seine Entscheidungen in einer guten und übersichtlichen Debatte führen kann, gilt für Änderungsanträge zum Wahlprogramm ein Antragsschluss drei Wochen vor dem Parteitag (2.11.2018).
Der Landesparteitag bittet die Kreisverbände, Delegiertenberatungen in der ersten Oktoberhälfte zu planen, damit Änderungsanträge rechtzeitig gestellt werden können. Nach dem Antragsschluss für Änderungsanträge soll die Antragskommission in Zusammenarbeit mit dem Landesvorstand und den Antragsstellenden den Parteitag so vorbereiten, dass die Delegierten sich auf die inhaltlich strittigen Fragen konzentrieren können.
Die Liste für die Bürgerschaftswahlen im Wahlbereich Bremen soll am 15.12.2018 in einer Mitgliederversammlung aufgestellt werden. Wie auf dem Landesparteitag im November beschlossen gibt der Landesvorstand der Aufstellungsversammlung keine personelle Empfehlung.
Für das Verfahren schlägt der Landesparteitag vor:
- eine Liste mit 22 Kandidat*innen aufzustellen,
- die ersten zwölf Plätze in Einzelwahl, die weiteren Plätze in je einer Listenwahl für die geraden und ungeraden Plätze zu wählen.
Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die Mindestquotierung bei allen Listenaufstellungen erfüllt wird.
Der Landesparteitag bittet die Kreisverbände, sich auf Termine zur Vorstellung aller Kandidierenden ab Oktober zu verständigen. Damit diese Veranstaltungen vorbereitet werden können, sollten Kandidaturen bis zum 15.09.2018 bekannt gegeben werden.
Die Aufstellungsversammlung für die Bürgerschaftswahl für Bremerhaven beruft der Landesvorstand in Absprache mit dem Kreisverband ein, die Aufstellung für die Stadtverordnetenversammlungs- und Beiratswahlen liegt in der Hoheit der jeweiligen Kreisvorstände, die dabei organisatorische Unterstützung des Landesverbands erhalten. Der Landesparteitag bittet die Kreisverbände, die Ortsgruppe und alle Mitglieder darum, auch die Kandidaturen auf Stadtverordnetenversammlungs- und Beiratsebene gewissenhaft vorzubereiten, weil wir auch bei diesen Wahlen auf ein stärkeres Ergebnis als 2015 hinarbeiten.
Wir wollen 2019 einen gemeinsamen, geschlossenen Wahlkampf für eine starke LINKE Fraktion in der Bürgerschaft führen. Dazu gehört auch, dass alle unsere Kandidat*innen trotz des personalisierten Wahlrechts im Wahlkampf zuerst die Auseinandersetzung mit unseren politischen Gegnern führen und nicht untereinander um Personenstimmen konkurrieren. Deshalb werden personalisierte Wahlkampfmaterialien nur mit Einverständnis des Landesvorstands bzw. des Landeswahlbüros produziert, unabhängig davon, wie sie finanziert werden.
Kampagnenarbeit und Parteientwicklung
Wir beteiligen uns an den Kampagnen der Bundesebene zu Pflege und Mieten und und entsprechenden lokalen Bündnissen. Wir wollen weiter neue Mitglieder gewinnen und einbinden und halten an dem Ziel fest, bis zur Bürgerschaftswahl auf mindestens 600 Mitglieder zu wachsen.
Gottlieb-Daimler-Straße jetzt schließen!
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 22. Mai 2018
In der Gottlieb-Daimler-Straße betreibt die Sozialbehörde eine Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete. Es handelt sich um Leichtbauhallen mit einem Dach aus Zeltplane. Die Innenräume sind mit sogenannten Kabinen aufgeteilt, die nicht vollständig an die Decke angeschlossen sind, wodurch der Lärmpegel sehr hoch ist. Beheizt werden die Hallen mit Heizgebläse, die regelmäßig ausfallen. Bei Minusgraden fällt dann auch die Innentemperatur unter den Gefrierpunkt. Das Gelände ist unbefestigt und verwandelt sich bei entsprechender Witterung in eine Schlammwüste. Bei warmen Außentemperaturen wiederum herrscht unerträgliche Hitze.
Der Standort befindet sich im Oslebshauser Industriegebiet - ohne soziale Infrastruktur, fernab der Möglichkeit gesellschaftlicher Anbindung. Einige der rund 90 Bewohner leben bereits über Monate in der Einrichtung. Viele von ihnen haben Widerspruch gegen die Altersfestsetzung des Jugendamtes, somit ist noch ungeklärt, ob sie möglicherweise sogar minderjährig sind. Einige werden nach vielen Monaten durch Gerichtsbeschlüsse wieder in die Jugendhilfe aufgenommen- die Monate verpasster Bildung und Jugendhilfe, die allen Kindern und Jugendlichen gemäß UN-Kinderrechtskonvention zustehen, kann ihnen aber niemand zurück geben.
Insgesamt erzeugen die Bedingungen der Einrichtung eher Isolation statt Einbindung. Die Wohnsituation führt zu hoher gesundheitlicher Belastung der Bewohner, dennoch gibt es keine adäquate Gesundheitsversorgung. Dennoch haben sie sich organisiert und wehren sich gegen diese unzumutbaren Bedingungen. DIE LINKE unterstützt diesen Kampf für menschliche Unterbringung, Gesundheitsversorgung, Schule und Jugendhilfe.
Das Sozialressort hat auf den Druck reagiert und angekündigt, die Unterkunft im Herbst zu schließen. Das ist nicht genug - jeder Tag ist einer zu viel, und es gibt genug verfügbare anderweitige Unterkünfte. Erst Ende März hat die Sozialbehörde feste Unterkünfte geschlossen und insgesamt 582 Plätze abgebaut.
Der Landesparteitag DIE LINKE Bremen beschließt:
Wir schließen uns der Forderung der Bewohner an: Shut it down- now!
Die Gottlieb-Daimler-Straße muss sofort geschlossen werden! Die Bewohner müssen besser untergebracht werden. Das Recht auf Bildung und Jugendhilfe muss auch im Widerspruchsverfahren für alle Jugendlichen gelten. Das Recht auf Gesundheit und medizinische Versorgung gilt auch für die Bewohner der Gottlieb-Daimler-Straße!
Die kommunale Gesundheitsversorgung braucht eine starke GeNo
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. Mai 2018
Die GeNo, der kommunale Klinikverbund, befindet sich seit Jahren in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die wesentlichen Ursachen dieser Probleme liegen außerhalb. Seit die Krankenhausleistungen durch ein bundesweites Pauschalsystem (DRGs) finanziert werden, das aber insbesondere Tarifsteigerungen nur teilweise ausgleicht, geht die Kosten-Erlös-Schere immer weiter auseinander. Die zweite Säule der Finanzierung, die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen durch die Länder, wird ebenfalls nicht eingehalten. Eigenfinanzierte Investitionen der Krankenhäuser führen zu hohen Schulden, Zins- und Tilgungslasten, die auf Dauer nicht zu tragen sind. Die Folgen sind bundesweit unübersehbar: Immer mehr Krankenhäuser wurden von riesigen privaten Konzernen übernommen, viele Standorte geschlossen und in unverantwortlicher Weise Personal abgebaut. Patient*innen und Beschäftigte sind die Leidtragenden.
In Bremen wurden die kommunalen Kliniken zwischen 2008 und 2012 mit systematischen Fehlentscheidungen in die Krise gesteuert. Der Teilersatzneubau (TEN) am Klinikum Mitte, mittlerweile ein 358-Millionen-Projekt, sollte komplett eigenfinanziert werden. Dafür wurde massiv Personal abgebaut, vor allem in der Pflege. Personalbemessungsstandards wurden ignoriert, namentlich in der Geburtshilfe und der Psychiatrie. Die Folgen sind bekannt: Es kam zu medizinischen Fehlleistungen und zu Erlöseinbrüchen.
Die rot-grüne Landesregierung hat seit 2012 begonnen, diesen falschen Kurs schrittweise zu revidieren. Kredite wurden übernommen, Eigenkapital zugeführt, das Medizinische Konzept überarbeitet. Die jetzt im Nachtragshaushalt vorgesehenen Maßnahmen haben auch in der Höhe eine neue Dimension. Damit wird eine Reihe illusionärer Annahmen und Vorgaben endlich aufgegeben, und das ist dringend notwendig.
Auch mit den jetzt im Nachtragshaushalt vorgesehenen Maßnahmen bleibt dieser Kurs jedoch inkonsequent und halbherzig. Die GeNo wird weiterhin eine hohe Schuldenlast tragen. Sowohl einen Teil des TEN, als auch eine Vielzahl weiterer getätigter Investitionen soll die GeNo selbst finanzieren. Die GeNo soll weiterhin darauf verpflichtet werden, hohe Gewinne aus dem laufenden Betrieb zu erzielen. Dringend notwendige neue Investitionen werden aufgeschoben, weil es keine öffentliche Finanzierungszusage gibt.
Dies ist nicht ausreichend. Wir fordern ein konsequentes Umdenken nach den Fehlern der Vergangenheit. Insbesondere fordern wir als dringende weitere Schritte:
Die GeNo muss von allen Zins- und Tilgungslasten für eigenfinanzierte Investitionen befreit werden. Die Finanzierungskosten für den verbleibenden TEN-Großkredit und für die anderen eigenfinanzierten Investitionen seit 2010 müssen vollständig öffentlich übernommen oder ausgeglichen werden.
Die Verpflichtung aus dem Krankenhausgesetz, wonach die Länder die Krankenhausinvestitionen bezahlen, muss wieder eingehalten werden. Dringend notwendige Investitionen, namentlich die Sanierung des Krankenhauses Ost, dürfen nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.
Die Erbringung wohnortnaher Leistungen und das Einhalten höchster medizinischer Standards, vor allem durch die notwendige Ausstattung mit Fachpersonal, müssen in allen medizinischen Bereichen der GeNo gewährleistet werden.
Die Entwicklung des Neuen Hulsberg-Viertels darf nicht dazu missbraucht werden, Gewinne für die GeNo zu erzielen. Wir fordern eine soziale Preisgestaltung für die Baugemeinschaften und eine generelle Vergabe in Erbbaurecht statt Verkauf.
„Mehr von uns ist besser für alle!“
Ausreichende Investitionen in die materielle Ausstattung der GeNo ist die eine Notwendigkeit. Fakt ist aber auch, dass ohne mehr medizinisches und pflegerisches Personal in der GeNo gar nichts geht.Wir müssen die Flucht aus den Gesundheitsberufen stoppen!
Die Arbeitsbedingungen müssen sich radikal verändern. Wir brauchen mehr Familienfreundlichkeit, sichere Schichtpläne und garantierte Fort- und Weiterbildung. Voraussetzung dafür ist ein System der Personalbemessung, dass sich an den Bedürfnissen der Patient*innen orientiert und nicht an der Profitmaximierung.
Deshalb unterstützt die LINKE das Bündnis „Für mehr Personal im Krankenhaus“.
Überlegungen der CDU für einen Verkauf des kommunalen Klinikverbunds, so im jüngsten Positionspapier des CDU-Wirtschaftsrates, lehnen wir scharf ab. Solche Vorschläge sind unseriös, vorgestrig, gefährden die kommunale Gesundheitsversorgung und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und führen nur dazu, dass private Gewinne gemacht werden, während die öffentliche Hand letztlich draufzahlt. Eine starke kommunale Gesundheitsversorgung braucht eine starke GeNo. Bremen ist bislang nicht zum Spielball der großen privaten Klinikkonzerne geworden, und das muss auch weiterhin so bleiben.
Wir fordern den Senat auf, zur zweiten Lesung einen Nachtragshaushalt vorzulegen, der die GeNo zu einem starken und zukunftsfähigen kommunalen Klinikverbund macht.
Baulöwe, Miethai, Polit-Lemming - Nein zum "City-Grabbing" - Für das Recht auf Stadt für alle
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. Mai 2018
Grund und Boden sind weltweit in das Zentrum sozialer Auseinandersetzungen gerückt. Finanzinvestoren kaufen nicht nur riesige Teile von Agrarland auf, sondern auch halbe Städte: Neben das „Land-Grabbing“, die Inbeschlagnahme immer größerer Landflächen für Investoren-Projekte, tritt das „City-Grabbing“. Stadtentwicklung ist zu einer attraktiven Profitquelle geworden. Diese Entwicklung kommt auch in Bremen und Bremerhaven immer stärker an.
Der Profit, der sich aus Grund und Boden ziehen lässt, ist ein besonderer. „Das Grundeigentum hat mit dem wirklichen Produktionsprozess nichts zu schaffen. Seine Rolle beschränkt sich darauf, einen Teil des produzierten Mehrwerts aus der Tasche des Kapitals in seine eigene hinüberzuführen“ (Karl Marx, Kapital III, MEW 25, S. 829) – oder, wenn darauf Wohnnutzung stattfindet, aus den Taschen der Bevölkerung. Der Preis der Fläche richtet sich vornehmlich nach der Lage. Während Flächen in Gewerbegebieten teilweise deutlich unter 100 Euro/qm verkauft werden und die meisten Wohngebiete sich noch im dreistelligen Bereich abspielen, liegen zentrale City-Lagen im vierstelligen – am Pariser Platz in Berlin-Mitte bis zu 60.000 Euro/qm. Die größten Bodenwertsprünge werden derzeit in den Städten mittlerer Größenordnung (wie Bremen) erwartet – die Metropolen gelten als ausgereizt.
Die Tendenz zur Finanzialisierung erfasst die Städte. Finanzialisierung bedeutet, dass großes Finanzkapital zur treibenden Kraft ökonomischer Prozesse wird und dass Profite nicht aus produktiven Prozessen, sondern aus spekulativen Akten gezogen werden. Das einzige, was den Finanzmarkt-Investor an der Stadt interessiert, ist die Veränderung des Bodenpreises.
Die Finanzialisierung der Stadt ist von der Politik in den letzten 20 Jahren massiv befördert worden. Immobilienfonds genießen Steuerbegünstigungen. Ausschüttungen werden nur mit der Abgeltungsteuer besteuert. Für den Kauf von Wohnanlagen fällt keine Grunderwerbsteuer an, wenn nicht die Wohnungen direkt gekauft werden, sondern 95 Prozent der Wohnungsbaugesellschaft, die sie hält (sog. „share deals“). Die Privatisierung von 700.000 kommunalen Wohnungen seit 1997 und der Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau haben die Mieten entfesselt. Die Niedrigzinspolitik seit der Finanzkrise erleichtert den Immobilienkauf. Die Schuldenbremse wirkte als Motor weiterer Privatisierung öffentlichen Eigentums. Kommunen verschleuderten ihre Flächen und Immobilien nach dem Motto: „Alles muss raus“.
Der Wert der städtischen Fläche entsteht durch ihre Zentralität, d.h. durch ihre herausgehobene Lage in Produktions-, Verkehrs- und Steuerungsketten, und durch Urbanität, d.h. die Konzentration von qualifizierter Arbeitskraft, Kommunikation, Kreativität, Kaufkraft, Kultur, durch verfügbare Dienstleistungen und Produkte und durch sozialen Zusammenhalt und gesellschaftliche Modernität. Wer auf steigende Bodenpreise in der Stadt spekuliert, will von der Arbeit anderer profitieren, von der allgemeinen, kollektiven und sozialen Tätigkeit aller. Gleichzeitig untergräbt die Privatisierung des Bodens und die Maximierung der Grundrente genau diese Qualitäten. Daher muss Urbanität, das „Recht auf Stadt“, durch politisches Eingreifen verteidigt werden.
Zech City: Innenstadtentwicklung als „Event“
In den Metropolen dienen „Mega-Events“ (olympische Spiele, Fußball-WMs etc.) als Motor des investorengetriebenen Stadtumbaus und der Verdrängung von lokaler Wohnbevölkerung und lokalem Gewerbe. In Städten mittlerer Größe, wo solche Events nicht zur Verfügung stehen, wird die „Innenstadtentwicklung“ selbst als „Event“ inszeniert – so derzeit in Bremen.
Dem Hauptinvestor Zech wird dabei von Senat und Medien der rote Teppich ausgerollt. Das Parkhaus Mitte wird ihm ohne Ausschreibung und Bedingungen vom Bürgermeister in die Hand versprochen, die wohlüberlegten eigenen Umbaupläne der Brepark sofort vom Wirtschaftssenator gestoppt. Parallel dazu werden mit dem Kontorhaus und dem Lloydhof weitere öffentliche Immobilien privatisiert. Restaurants und Kleingewerbe werden entpachtet, um Platz zu machen für den großen Umbau.
Das Geschäftsmodell heißt „Aufwertung“. Die Neuorganisation städtischer Fläche soll zur Erhöhung der erzielbaren Mieten und damit des Grundstückswerts führen. Dazu soll vor allem die öffentliche Hand beitragen, durch kommunale Investitionen und großzügige Änderung von Bebauungsplänen. Der Investor tritt mit der Haltung auf: „Frage nicht, was dein Investor für dich tut, sondern was du für den Investor tun kannst.“
Entgegen seiner Selbstinszenierung ist der Zech-Konzern kein helfender Ritter, der die Kommune retten will. Als Käufer tritt häufig die Gustav-Zech-Stiftung auf, denn diese ist in der Steueroase Liechtenstein registriert, wo es eine Flat-Tax für Unternehmen gibt, ausländische Grundstückserträge steuerfrei sind und Familienstiftungen nicht der Erbersatzsteuer unterliegen. „Land Grabbing“ gehört bereits zum Unternehmensprofil, etwa beim Erwerb riesiger Landflächen in Ostdeutschland durch die Übernahme der insolventen KTG Agrar 2016.
Während das Wirtschaftsressort, die WFB und die CDU noch daran glauben, die Innenstadt bräuchte mehr Verkaufsfläche und werde dann auf magische Weise Kaufkraft von überallher anziehen, sind die Investoren schon einen Schritt weiter. Sie wissen, dass die Innenstadt der Zukunft eher weniger Verkaufsflächen benötigen wird, vor allem aufgrund der Digitalisierung im Handel. Sie setzen beim geplanten Totalumbau zwischen Obernstraße, Knochenhauerstraße und Brill daher auf den „Nutzungs-Mix“ aus Einzelhandel, Wohnen und Büros. Wer nicht teuer konsumiert und wer keine hohen Mieten zahlen kann, ist bei dieser Art von „Durchmischung“ aber nicht gemeint. Die profitorientierte Optimierung des Bodenpreises schließt große Teile der Stadtbevölkerung und der ökonomischen Akteure aus der Innenstadt aus: Vom inhabergeführten Einzelhandel bis zum soziokulturellen Zentrum, von Menschen mit geringem Einkommen bis zu den Obdachlosen. Zweck- und konsumfreie Aufenthaltsmöglichkeiten sind nicht vorgesehen, denn jeder Quadratmeter, der keinen Gewinn abwirft, gilt als verlorener Quadratmeter.
Luxussanierung statt bezahlbarem Wohnen: Das Geschäftsmodell der Vonovia
Der Aufstieg der Vonovia zum größten deutschen Wohnungsbauunternehmen (ca. 350.000 Wohnungen, 11.900 davon in Bremen) ist beispielhaft für die Finanzialisierung der Wohnungswirtschaft. Der größte Anteilseigner der Vonovia ist die US-amerikanische Fondsgesellschaft BlackRock, die ein weltweites Vermögen von über 5 Billionen Dollar verwaltet, u.a. die Investmentsparten von Barclays und Merrill Lynch aufgekauft hat und auch an der Deutschen Wohnen, dem zweitgrößten deutschen Wohnungsbauunternehmen, beteiligt ist. Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland ist Friedrich Merz, ehemaliger CDU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, der auch im Beirat der Commerzbank und im deutschen Aufsichtsrat der britischen Großbank HSBC sitzt. Den Aufsichtsratsvorsitz der Vonovia übernimmt in diesem Jahr Jürgen Fitschen, 2012-2016 Co-Chef der Deutschen Bank und ehemaliger Präsident des Bundesverbands deutscher Banken. Die Verschmelzung von Finanz- und Immobilienkapital wird an der Vonovia überdeutlich.
Bis vor einigen Jahren galt bei den Finanzinvestoren, die sich die Bestände des ehemaligen sozialen Wohnungsbaus aneigneten, das Hauptrezept: „Einfach liegenlassen“. Aus den angekauften Großwohnanlagen wurde die Miete abgeschöpft und so wenig wie möglich in die Erhaltung investiert. Die Strategie „Dividende durch Wertvernichtung“ ging teilweise bis zur totalen Unbewohnbarkeit, wie etwa in der Neuwieder Straße 1 in Tenever, die innerhalb von 10 Jahren siebenmal den Eigentümer wechselte.
Dies hat sich geändert. Der moderne Miet-Hai investiert wieder. „Schimmel ist kein Geschäftsmodell“, so Vonovia-Chef Buch. Das liegt nur zum Teil daran, dass das Modell „Kassieren ohne Investieren“ durch Leerstände an seine Grenzen kam und die Banken anonyme Immobilienpakete fragwürdiger Qualität, in denen sich z.B. auch die Grohner Düne zeitweise befand, nicht mehr beleihen. Das neue Modell heißt Aufwertung. Ziel ist jetzt, Bestände mit eher niedrigen Mieten so schnell wie möglich in Hochmieten-Bestände zu verwandeln. Mieten werden sprunghaft erhöht, die Mietpreisbremse durch „Sanierungen“ umgangen, bei der „zweiten Miete“ der Nebenkosten rücksichtslos abkassiert und an der Einführung einer „dritten Miete“ gebastelt –zahlungspflichtigen „Zusatzleistungen“ vom Heizungs-Ablesedienst bis zur Extra-Miete für die Einbauküche.
Das neue Geschäftsmodell sieht die Verdrängung der bisherigen Mieter*innen vor, die solche Mieten nicht bezahlen können. Wer in Schwachhausen oder im Viertel wohnen will, muss künftig ein Besserverdiener sein. Die Schlichtwohnungen am Sacksdamm und in der Holsteiner Straße verschwinden ersatzlos. Eine Mieterhöhung um 40 Prozent in einer ehemaligen Beamtenbau-Wohnung in Peterswerder wurde gerade vom Landgericht Bremen kassiert. In Lüssum stellte die Vonovia Mieter*innen phantastisch überhöhte Heizungsrechnungen zu. Inzwischen plant die Vonovia bereits, in den Neubau mit serieller Bauweise auf eigenen Flächen einzusteigen – Kosteneinsparungen, die nicht den Mieter*innen zugutekommen sollen, sondern der Rendite der Vonovia.
Kommunale Wohnungspolitik: Die „Quote“ ist gescheitert
Die Politik des Senats, bezahlbaren Wohnungsbau als Beiprodukt privater Bautätigkeit zu erreichen, ist gescheitert. In fünf Jahren „Wohnraumförderprogramm“ sind gerade einmal 453 neue Sozialwohnungen geschaffen worden. Die 25-Prozent-Quote hat sich als nahezu wirkungslos erwiesen: Ganze 231 der neuen Sozialwohnungen gehen auf die Quote zurück, die anderen sind unabhängig davon zur Förderung angemeldet worden, hauptsächlich durch Projekte der GEWOBA. Wenn die Sozialwohnungen auf den schlechteren Lagen oder als Lärmschutzriegel-Bauten realisiert werden, dann wird derjenige Wohnraum zu Sozialwohnungen deklariert, der ohnehin nicht teuer zu vermieten wäre. Die Quote ist ein unzureichendes soziales Trostpflaster für die massenhafte Verschwendung von Grund und Boden für Wohnraum, der für die breite Bevölkerung unbezahlbar ist. Neubau von Wohnungen, die für 10 Euro und mehr pro qm vermietet oder gleich als Eigentumswohnungen verkauft werden, trägt zur Behebung der allgemeinen Wohnungsnot in der Stadt nichts bei. Von den Flächenverkäufen des Senats profitieren Bauwirtschaft, Projektentwickler wie Justus Grosse und eine sehr begrenzte Zielgruppe, die sich diesen Wohnraum leisten kann. Mit sozialer Wohnungspolitik hat all das nichts zu tun.
In den 11 Jahren rot-grüner Regierung hat der Senat seiner kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, der GEWOBA, 154 Mio. Euro durch Gewinnausschüttung entzogen – das entspricht der gesamten Darlehen(!)-Summe, mit der der Senat seine drei Wohnraumförderprogramme ausgestattet hat. 40 Mio. der GEWOBA-Gewinnausschüttung sind direkt an die mitbeteiligten Banken gegangen. Hätte der Senat die Ausschüttungssumme im Unternehmen belassen und der GEWOBA entsprechende Baugrundstücke direkt für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt, dann hätten wir heute 3.000 neue Sozialwohnungen.
Die unmittelbar wirksamsten Instrumente zur Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum liegen allerdings im Bestand. Die durchschnittliche Nettokaltmiete (d.h. ohne Betriebskosten) der GEWOBA in der Stadt Bremen ist 2011-2017 um 18 Prozent gestiegen und liegt 2017 bei 6,04 Euro/qm. Bereits 2018 wird dieser Betrag damit die 6,10 Euro/qm überschreiten, die vom Senat als Mietobergrenze im geförderten Wohnungsbau gesetzt sind; ca. 2020 auch die 6,50 Euro/qm, die beim höheren Energiestandard gelten. Anders gesagt: Von den derzeit ca. 32.000 GEWOBA-Wohnungen in Bremen-Stadt verschwinden Tausende aus dem Sektor, der nach der eigenen Definition des Senats als „preisgünstiger Wohnraum“ gilt – weil der Senat die GEWOBA dazu zwingt, hohe Ausschüttungen an die Aktionäre zu „erwirtschaften“.
So, wie der Senat sie handhabt, ist die vermeintliche Wunderwaffe Sozialquote ein Rohrkrepierer. In der Praxis wirkt sie wie eine zusätzliche zweckgebundene Grunderwerbsteuer: Die privaten Investoren überlassen der GEWOBA günstiges Bauland, auf dem diese mit der städtischen Förderung Sozialwohnungen baut. Im Gegenzug dürfen die Investoren auf den anderen Flächen preislich machen, was sie wollen, die Stadt erhebt nicht einmal Daten über Miethöhen und Eigenheimquote. Die Einbuße beim Flächenverkaufspreis, die der Senat durch die Quote erleidet, holt er sich über die Gewinnausschüttung von der GEWOBA zurück, die diese Ausschüttungen durch Wohnungsverkäufe und Mietsteigerungen ermöglicht, also durch die Verknappung preisgünstigen Wohnraums. Unterm Strich zahlt der Senat nichts für den sozialen Wohnungsbau, bekommt aber auch keinen.
Die Ästhetik des City-Grabbing
Die Finanzialisierung der Immobilienwirtschaft hat eine Investoren-Architektur hervorgebracht, die überall gleich aussieht. Die Ausdruckslosigkeit und Austauschbarkeit der Investoren-Architektur entspringt ökonomischem Kalkül. Weil Gebäude nicht mehr von ihren Nutzern gebaut werden, sondern von Kapitalinvestoren, die sich eine möglichst breite Nachfragegruppe wünschen, ist Gesichtslosigkeit die profitabelste Strategie. Große Quaderbauten mit flacher Fassade maximieren die Nutzfläche. Der Punkthaus-Bau mit innen liegendem Erschließungskern konzipiert Wohnen wie Arbeiten als ‚Aussichtsraum‘. Raumsituationen für kollektiv-soziale Aneignung wie z.B. Innenhöfe kommen nicht mehr vor. Die Fassadengestaltung changiert zwischen Langeweile, Brutalismus und Anleihen bei totalitärer Beeindruckungs-Architektur.
Die Offenheit für unterschiedliche Nutzer*innen richtet sich allerdings ausschließlich an zahlungskräftige Nutzergruppen. Flexible Raumgestaltung und Grundrisse, in denen sich die Dynamik und Innovation städtischer Lebens- und Arbeitsweisen abbilden kann, sucht man vergebens. Die gesamte Vielfalt der Stadtgesellschaft, von der Patchwork-Familie über die queere Hausgemeinschaft bis zur migrantischen Großfamilie und der Alten-WG, von der häuslichen Teilzeit-Unternehmensgründung über das Gemeinschaftsbüro bis zum Projektehaus, hat in der Investoren-Architektur schlicht keinen Platz. Gemeinschaftsräume, Bewohner*innen-Kommunikation, Stationen für Ausleih-Hausgeräte oder bei Bedarf nutzbare größere Küchen: All das ist nicht vorgesehen beim Geschäftsmodell, teure Räumlichkeiten für langweilige, traditionell-überholte Lebens- und Arbeitsmodelle zu produzieren.
Die stereotype Selbststilisierung der Investoren-Architektur wird von der regierenden Politik ungefiltert übernommen. Der Beschönigung der ökonomisch optimierten Riesenquader dienen Floskeln wie „markant“, „Fluchtpunkte“, „Sichtverbindungen“ oder die bizarre Wendung, durch das Zubauen einer Freifläche werde diese endlich „eingefasst“.
Beiräte müssen beständig die Erfahrung machen, dass gegen den Renditewillen des Investors architektonisch kein Kraut gewachsen ist. Was und wie gebaut wird, steht vorab weitgehend fest.
Was tun? Soziale Stadtentwicklung statt „unternehmerische Stadt“!
Die Qualität des Urbanen, das Recht auf Stadt, erzeugt den Wert des städtischen Raums. Die ungehemmte private Ausbeutung und maximale Ausreizung der Bodenrendite untergräbt genau diesen Wert, auf dem sie beruht. Gegen die Strategie der „unternehmerischen Stadt“ setzen wir das Recht auf Stadt für alle. Die Stadt darf nicht den Baulöwen, Miethaien und Polit-Lemmingen überlassen werden, die den Vorgaben der Investoren hinterherlaufen, bis die urbane Qualität die Klippe herunterstürzt. Das Recht der städtischen Bevölkerung in ihrer Gesamtheit, Stadt zu gestalten, muss wieder fühlbar werden.
1. Innenstadtentwicklung
Eine zukünftige Innenstadt braucht Räume, die von einer Vielzahl von Akteuren angeeignet werden können, und eine gute öffentliche Planung als Rahmen, damit alle sozialen Gruppen und zivilgesellschaftlichen Akteure in der Innenstadt Platz finden können. Wir fordern, den Funktionswandel der Innenstadt und die perspektivisch sinkende Verkaufsfläche offensiv für eine soziale und öffentliche Wiederaneignung der Innenstadt zu nutzen:
· Demokratischer und partizipativer Planungsprozess. Kein Handeln auf Investoren-Zuruf, sondern öffentliche Rahmenplanung
· Erhalt öffentlicher Immobilien, ggf. Ankauf/Rückkauf durch die Stadt, um vielfältige Nutzungen zu ermöglichen, die keine Maximalmieten zahlen können
· Einzelhandelskonzept, das auf Gute Arbeit orientiert, indem ortsansässige Betriebe, spezialisierte Geschäfte und Nischenanbieter gegen Ketten und Discounter gestärkt werden. Unterstützung des inhabergeführten kleinen und mittleren Einzelhandels bei der Digitalisierung durch gezielte Programme der Wirtschaftsförderung
· Mietpreisbremse auch für gewerbliche Mieten! Wo der Bund nicht handelt, sollen Land und Kommunen alle Möglichkeiten ausschöpfen, explodierenden Gewerbemieten und der Verdrängung von Kleingewerbe entgegen zu wirken.
· Erhalt, Ausbau und Ausgestaltung zweck- und konsumfreier Räume und Aufenthaltsflächen – sowohl im öffentlichen Raum, als auch in Form von Begegnungsstätten, Kulturzentren und Sozialcafés
· Nutzung der Innenstadt nicht für Hochpreis-Geschäfte und Unternehmenssitze, sondern für kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen, Bürgerservice, Starthaus, Frauengründungszentrum, CityLab, Veranstaltungsräume, Obdachlosen-Unterstände, Einrichtungen der Verwaltung, gewerkschaftliche und öffentliche Beratungsstellen etc.
2. Mietenkontrolle
Die gesetzliche Mietpreisbremse allein kann nicht dafür sorgen, den Anstieg der Mietpreise zu stoppen. Sie ist aber ein wichtiges Instrument des Mieterschutzes. Wir fordern, sie auszubauen und im Land Bremen die Voraussetzungen für ihre Wirksamkeit zu schaffen.
- Vom Bund fordern wir, dass der Mietanstieg in angespannten Wohnlagen auf die Inflationsrate begrenzt wird, dass Sanierungen von der Zustimmung der Mieter*innen abhängig gemacht werden und dass die Umlage von Sanierungskosten auf die Miete gesenkt und zeitlich befristet wird.
- Für Quartiere, die besonders von Mietsteigerungen bedroht sind, fordern wir den Erlass von Milieuschutz-Satzungen, durch die Sanierungen genehmigungspflichtig werden und an Auflagen für die Miete gebunden werden können.
3. Bodenpolitik
Die permanente Flächenverkaufspolitik des Senats muss gestoppt werden, zugunsten einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik und langfristigen Bodenbevorratung.
- Schaffung eines kommunalen Bodenfonds, mit dem Ziel, den öffentlichen Grundbesitz durch strategische Zukäufe auszubauen.
- Druck auf Besitzer von für die Stadtentwicklung benötigten Brachen und wenn nötig Enteignung der Brachen, um Spekulation zu unterbinden und eine Entwicklung der Flächen im öffentlichen Interesse zu ermöglichen.
- Neue kommunale Entwicklungsflächen wie die Rennbahn oder der Hulsberg sollen zu mindestens zwei Dritteln an kommunale, genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnungsbauakteure vergeben werden. Öffentliche Baugrundstücke sollen nur noch in Erbpacht vergeben werden. In den Verträgen dazu soll nicht nur ein Anteil an Sozialwohnungen, sondern Obergrenzen für Mieten und Mietsteigerungen in allen Wohnungen ähnlich wie im Münchener Modell vorgegeben werden.
- Einsatz von Entwicklungssatzungen, um die Entwicklung neuer Viertel wie des Südlichen Europahafens oder des Brinkmann-Geländes öffentlich zu steuern und mindestens die Hälfte der Baufläche für sozialen Wohnungsbau festzusetzen. Das Baurecht ermöglicht es, die Baukosten für Kitas und Schulen aus der Bodenwertsteigerung der Eigentümer zu finanzieren – darauf darf nicht länger verzichtet werden!
- Für jede Entwicklungsfläche sollen auch Flächen für „Einfach Wohnen“/“Housing First“ reserviert werden.
- Vom Bund fordern wir eine Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte, die Unterbindung von „share deals“, die Stärkung der Gemeinwohlbelange durch schärfere Instrumente der Innenentwicklung und die Einführung einer Bodenwertsteuer als Kommunalsteuer, wie auch in der „bodenpolitischen Agenda 2020-2030“ des difu-Instituts gefordert.
4. GEWOBA
Wer preisgünstigen Wohnraum will, muss ihn fördern und betreiben. Die GEWOBA als kommunale Wohnungsbaugesellschaft soll so gesteuert und unterstützt werden, dass sie ihre Bestände zügig ausbaut und die Mieten niedrig hält; das gleiche gilt für die STÄWOG in Bremerhaven.
- Wir fordern, die Gewinnausschüttung der GEWOBA auf ein Minimum zu beschränken, öffentliche Neubauflächen vorrangig der GEWOBA kostenlos zur Verfügung zu stellen und die Fördermittel des sozialen Wohnungsbaus von vorneherein auf die GEWOBA und auf genossenschaftliche und gemeinnützige Akteure zu konzentrieren.
- Im Gegenzug soll sich die GEWOBA verpflichten, eine jährliche Zielquote von Wohnungen zu bauen und zu erwerben, die Mieten im preisgünstigen Segment stabil zu halten und keine Wohnungen mehr zu privatisieren.
- Um stabilisierend auf das Mietpreisniveau einzuwirken, soll der kommunal-genossenschaftlich-gemeinnützige Anteil am gesamten Mietwohnungsbestand perspektivisch auf 50 % steigen.
- Vergesellschaftung von Wohnungen der Vonovia und anderer Wohnkonzerne durch Ankauf von Bestandswohnungen.
5. Gegen die private Monopolbildung im Wohnungsmarkt!
- Wir unterstützen dir Kampagne „Deutsche Wohnungen enteignen“ und wir unterstützen den Beschluss des Bundesvorstands die Vonovia zu enteignen.
- Wir fordern die Bundespartei auf eine parlamentarische Initiative zu starten, um zu klären, wie die Monopolbildung gestoppt werden kann.
- Und wir fordern den Senat auf Bundesebene auf einzufordern, dass Immobilienkäufe haushaltsrechtlich wie der Erwerb von Beteiligungen behandelt werden kann.
6. Partizipation und Stadtteilorientierung
Dass die Stadt allen gehört und im Kern eine öffentliche Angelegenheit ist, muss im Planungs- und Gestaltungsprozess in den Mittelpunkt rücken. Bauprojekte müssen sich in langfristige Konzepte der Quartiersentwicklung und der nachhaltigen Stadt einfügen.
- Was in bestehenden Quartieren auf Baulücken und privaten Grundstücken passiert, muss von den Beiräten kontrolliert werden können. Wir fordern den breiten Einsatz von Milieuschutzsatzungen und Gestaltungssatzungen, um Baumaßnahmen in bestehenden Quartieren konsequent auf ästhetische und soziale Mindeststandards sowie Nachbarschaftsverträglichkeit zu verpflichten. Genehmigungsfreie Bunkerabrisse oder Maximalbebauungen in Baulücken müssen aufhören, die kreative Umnutzung von Bestandsgebäuden soll den Vorrang vor Abriss/Neubau haben.
- Größere Entwicklungsgebiete sollen durch Entwicklungssatzungen gesteuert werden. Die bauliche und ästhetische Gestaltung soll sich an bestehenden, gewachsenen Quartieren orientieren. Alltags- und gendergerechtes Planen und Bauen, heterogene Wohnungsgrößen und nutzungsneutrale Grundrisse sollen verankert werden. Die gemeinsamen Regionalausschüsse der betroffenen Beiräte sollen dafür verbindliche Rahmen setzen können. Vergabe öffentlicher Flächen und Immobilien soll, wenn überhaupt, nur nach Konzept erfolgen, nicht nach Preis. Verkaufserlöse sollen dafür verwendet werden, an anderer Stelle Flächen anzukaufen.
- Die sozialen Akteure der Stadtgesellschaft und die unabhängige wissenschaftliche Expertise müssen eine stärkere Stimme in der Stadtentwicklung bekommen. Wir fordern die Einrichtung eines Stadtentwicklungsrates, in dem Gewerkschaften, Mieterbund, das Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen, Einzelhandel, Architektenkammer, Hochschulen u.a. vertreten sind, um Vorschläge für langfristige Stadtentwicklungskonzepte und geeignete Instrumente zu erarbeiten.
- Eine personell unterausgestattete Behörde kann die Interessen der Stadt nicht hinreichend vertreten. Wir fordern einen gezielten Personal- und Referatsaufbau. Planungsprozesse sollen nicht mehr privatisiert werden. Verfahrensbeschleunigung soll durch mehr Personal bei den Genehmigungsbehörden bewirkt werden, keinesfalls durch den Abbau öffentlicher Mitwirkungsmöglichkeiten bei Bauvorhaben.
Pflegenotstand stoppen – Kampagne in Bremen umsetzen
Beschluss des 22. Landesparteitags am 22. Mai 2018
Die Situation in den Krankenhäusern und in der Altenpflege ist katastrophal. Ein profitorientiertes Gesundheitssystem sorgt für unterbesetzte Krankenhäuser und Pflegeheime. Das schadet der Gesundheit von Patient*innen und Beschäftigten und kostet Leben. Deswegen fokussieren wir uns ab sofort auf die bundesweite Pflegekampagne "Menschen vor Profite: Pflegenotstand stoppen!". Die erste Aktionswoche beginnend am 12. Mai wird zum Landesparteitag schon vorbei sein, das soll uns aber nicht stören.
Ab jetzt bis zur zweiten Aktionswoche, die nach dem Bundesparteitag (8.-10. Juni) beginnt, wollen wir jede Woche einen Infotisch / eine Mitmachaktion machen. Dabei wollen wir Unterschriften für den bundesweiten Appell an Spahn und Merkel (für 100.000 Pflegekräfte in den Krankenhäusern, 40.000 Stellen in der Altenpflege, sowie einen gesetzlichen Personalschlüssel in der Pflege) sammeln, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.
In der Aktionswoche vom 11.-17. Juni wollen wir jeden Tag mindestens eine Aktion machen. Dafür nutzen wir die verschiedenen Mitmachelemente der Bundespartei („Walk of Care“-Bodenzeitungen, Wall of Shame, Sprühkreide und Vorlagen, ein Herz für Pflegekräfte).
Der Landesparteitag begrüßt die Ankündigung der folgenden Gruppen bzw. Gliederung, sich an der Aktionswoche zu beteiligen: Ortsgruppe Nord und Basisgruppe Ost.
Unser Kampagnenziel: Wir sammeln mindestens 1000 Unterschriften und gewinnen 20 neue Mitglieder. Dafür müssen wir bei jeder Aktion Unterschriftenlisten und Mitgliedsanträge dabeihaben. Der Landesverband stellt finanzielle und personelle Ressourcen zur Unterstützung der Aktionen bereit. Als Abschluss unserer Kampagne laden wir zu einer Diskussionsveranstaltung ein, bei der wir mit Pflegekräften und Patient*innen ins Gespräch kommen wollen.
Die Landesgeschäftsstelle unterstützt die Kampagne personell, der Landesverband stellt zudem ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung.
DIE LINKE. Bremen ruft zur Teilnahme an der Demonstration anlässlich der Gesundheitsminister*innenkonferenz am 20. Juni in Düsseldorf auf. Die im Aufruf enthaltene Forderung nach einer deutlichen personellen Aufstockung im Pflegebereich teilen wir voll und ganz.
DIE LINKE als familienfreundliche Partei: Parteiveranstaltungen für alle
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. Mai 2018
DIE LINKE lebt als Mitgliederpartei davon, dass möglichst viele sich in das Parteileben einbringen und an Aktionen, Veranstaltungen und Sitzungen teilnehmen können. Menschen, die sich um Kinder kümmern, stehen dabei vor besonderen Hindernissen und Herausforderungen – und das betrifft immer noch und auch in unseren Reihen nicht nur, aber in besonderem Maße Frauen.
Um diese Hindernisse möglichst klein zu halten, ruft der Landesparteitag die Mitglieder der
LINKEN in allen Funktionen und auf allen Ebenen dazu auf, bei der Planung von Veranstaltungen auf die Belange von Familien zu achten. Das bedeutet unter anderem:
- Treffen und Veranstaltungen rechtzeitig und mit Anfangs- und Endzeit zu planen, damit auch Eltern sich ggf. um Kinderbetreuung kümmern können. Zu Beginn eines Treffens noch einmal verbindlich festzuhalten, wie lange es gehen soll. Ausufernde Treffen ohne abgesprochenes Ende stellen Eltern oft vor die Wahl, das laufende Treffen zu verlassen oder Absprachen zur Kinderbetreuung nicht einhalten zu können.
- Bei Landesparteitagen und ähnlich zentralen Veranstaltungen auf Landesebene bietet der Landesverband eine Kinderbetreuung an.
- Der Landesparteitag ruft die Kreisverbände dazu auf, auch bei tagsüber bzw. nachmittags stattfindenden Kreismitgliederversammlungen eine Kinderbetreuung zu organisieren und den dafür nötigen eigenen Raum einzuplanen.
- Bei Veranstaltungen und Gremiensitzungen ist es für Familien am Wochenende oft hilfreich, Zeiträume nicht ohne Not in die Mittagszeit zu legen. So muss beispielsweise eine vierstündige Veranstaltung nicht von elf bis drei Uhr gehen. Abendterminen sind für viele Familien mit kleinen Kindern leichter zu managen, wenn sie nicht schon um 18:00 beginnen.
- Der Landesparteitag beauftragt den Landesvorstand, einen Spielzeugkoffer für Veranstaltungen im Landesverband anzuschaffen.
Der Landesparteitag ermutigt Eltern ausdrücklich, auch mit ihren Kindern zu Aktionen, Veranstaltungen und Treffen zu kommen, auch wenn (noch?) keine Kinderbetreuung organisiert ist. Wir halten lieber den damit manchmal verbundenen Radau aus, als auf diese Eltern zu verzichten.
Auch auf den parlamentarischen Ebenen setzt sich DIE LINKE dafür ein, dass Politik insgesamtfamilienfreundlich gestaltet wird, etwa durch das Angebot von Kinderbetreuung oder die Übernahme von Kinderbetreuugskosten während Bürgerschafts-, Stadtverordneten-, und Beiratssitzungen.
Debatte um Bremer Außenstelle des BAMF darf nicht zulasten Geflüchteter gehen.
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. mai 2018
Bremen ist derzeit bundesweit in den Schlagzeilen, weil es in der Bremer Außenstelle des BAMF zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll – die Größenordnung positiv ausgestellter Asylbescheide, die möglicherweise unrechtmäßig erfolgten, wird derzeit ermittelt. Die Rede ist von ca. 1.200 Asylbewerber*innen, die ungeachtet der üblichen Verfahrensabläufe einen Status bekommen haben sollen. Festzuhalten ist, dass es sich dabei in den meisten Fällen offenbar um Schutzsuchende handelte, die ohnehin Recht auf einen Schutzstatus gehabt hätten. Bereits bekannt und dokumentiert ist, dass das BAMF bundesweit häufig Fehlentscheidungen gegen die Asylsuchenden trifft: Gut 44 Prozent aller Ablehnungen, die vor den Verwaltungsgerichten inhaltlich geprüft werden, werden nachträglich zugunsten der Asylsuchenden korrigiert. Die Entscheidungspraxis ist restriktiver geworden, inzwischen wird nur noch jeder dritte Asylantrag anerkannt. Diese repressive Rechts- und Ablehnungspraxis wird kaum nennenswert in der Öffentlichkeit skandalisiert.
Die Probleme des BAMF sind lange bekannt, unabhängig davon, ob die jeweiligen Innenminister Friedrich, de Maizière oder Seehofer heißen: Auf die Entscheider*innen wurde politischer Druck ausgeübt, um immer schneller immer mehr Fälle abzuarbeiten. Teilweise wurden Sachbearbeiter*innen in dreiwöchigen Crashkursen geschult und anschließend mit den komplizierten Anhörungen betraut. Der Personalrat des BAMF warnte schon 2015 vor einem systematischen Qualitätsverlust bei den Entscheidungen und vor rechtswidrigen Bescheiden. Der politische Druck auf schnelle Entscheidungen und auf niedrigere Anerkennungsquoten geht zumeist zulasten derjenigen, die dringend Schutz brauchen: Sie werden nicht anerkannt, mit allen Folgen für Status und Aufenthalt bis hin zur Abschiebung, und sie sind auf anwaltliche Vertretung mit den dazugehörigen Kosten angewiesen. Das Recht auf Asyl wird häufig überhaupt erst bewilligt, wenn geklagt wird.
Die aktuelle bundesweite Debatte anlässlich des sog. „Bremer BAMF-Skandals“ ist hochproblematisch. Statt Fakten abzuwarten, wird mit einer angeblichen „Anti-Abschiebe-Industrie“ (Dobrindt) Stimmung gemacht. Es wird suggeriert, die Betroffenen hätten insgesamt überhaupt kein Recht auf Asyl gehabt; es wird ein gesellschaftliches Klima geschaffen, das zu weiteren Ablehnungen, zu mehr Klagen und letztlich zu mehr Abschiebungen führen wird. Berücksichtigt werden sollte auch, dass die geltende Gesetzeslage eine ist, die in kürzester Zeit massiv verschärft würde, die Asylgründe nicht anerkennt, das Recht auf Familie verletzt und Europa zu einer großen Wartezone macht.
Der Landesparteitag der LINKEN Bremen plädiert in dieser Auseinandersetzung für deutlich mehr Verantwortungsbewusstsein, Verhältnismäßigkeit und Humanität. Leidtragende der Reaktionen auf den „BAMF-Skandal“ sind in erster Linie Geflüchtete, die – in Vertrauen auf Rechtssicherheit – einen Status erhalten haben, der nun nachträglich überprüft wird. Sie haben versucht, anzukommen, und werden jetzt neuen Unsicherheiten ausgesetzt. Der Landesparteitag der Bremer LINKEN hält es vor diesem Hintergrund für notwendig, dass die betroffenen Geflüchteten nicht im Nachhinein für mögliche Verfahrensfehler bestraft werden. Auch diejenigen, die aktuell einen Asylantrag in Bremen gestellt haben, dürfen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
25 Jahre nach dem sog. Asylkompromiss wäre es an der Zeit, das Asylrecht wiederherzustellen, statt Stimmungen zu schüren, die auf weitere Ausschlüsse, Grenzziehungen und Repressionen setzen. Letzteres sind die erklärten Ziele der AfD. – Aufklärung in jede Richtung muss sein. Ein von der AfD mitinitiierter Untersuchungsausschuss ist aus Sicht der LINKEN Bremen in diesem Sinne nicht denkbar.
Für ein recht auf Ausbildung in Bremen - Landesausbildungsumlage jetzt!
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. Mai 2018
Die Ausbildungsplatzlücke in Bremen wächst seit Jahren. Nur etwa ein Drittel der Schulabgänger*innen im Land Bremen treten eine duale Ausbildung an. Jährlich verlassen 700 bis 800 Jugendliche die Schule, ohne in eine weitere schulische oder berufliche Ausbildung zu gehen, oder mit dem Abitur ein Studium antreten zu können. Diese Situation ist in mehrfacher Hinsicht unhaltbar. Zum einen wird Jugendlichen in großer Zahl die Möglichkeit zu einer Berufsausbildung versperrt und damit die Perspektive auf existenzsichernde Beschäftigung, selbstbestimmte Lebensgestaltung und sozialen Aufstieg. Zum anderen werden zu wenige Fachkräfte ausgebildet. Beides zusammen bildet für das Bundesland Bremen einen erheblichen sozialen und wirtschaftspolitischen Sprengstoff.
Nichts als leere Versprechungen
In Bremen wird jungen Erwachsenen, die einen Ausbildungsplatz suchen, seit Jahren viel versprochen, ohne dass etwas passiert. Um den Ausbildungsplatzmangel zu beheben, haben sich der Senat, der Magistrat, Handels- und Handwerkskammer, DGB und Arbeitnehmerkammer, Unternehmensverband und Vertretungen der freien Berufe an einen Tisch gesetzt und eine freiwillige „Bremer Vereinbarung“ getroffen, um die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Bislang ohne Erfolg. In den Wahlkampf 2015 ist die Bremer SPD deshalb mit dem Versprechen einer „Ausbildungsgarantie“ gegangen. Nach der Wahl zerplatzte die sogenannte Ausbildungsgarantie wie eine Seifenblase und die Hoffnungen von vielen jungen Menschen wurden bitter enttäuscht. Garantiert wurde hier gar nichts, die jungen Menschen, die bei dem Rennen um die Ausbildungsplätze leer ausgingen, wanderten genauso wie die Jahre zuvor ins Übergangssystem oder in nicht qualifizierte Beschäftigung; sie machten ein Berufsfachschuljahr, gingen weiter zur Schule, oder man weiß gar nicht was aus ihnen geworden ist. Sicher ist nur, ein Ausbildungsplatz war nicht in Sicht. Für die Jugendlichen, die durch Fluchtzuwanderung nach Bremen und Bremerhaven gekommen sind, sieht es noch schlechter aus. Für sie werden zusätzliche Übergangsmaßnahmen bereitgestellt, aber es werden keine zusätzlichen Ausbildungsplätze geschaffen, so dass es die Wenigsten unter den bisherigen Bedingungen wirklich in Ausbildung schaffen werden.
Auch die Gründung der Jugendberufsagentur hat an der katastrophalen Ausbildungsplatzsituation nichts geändert. Wie auch, sie schafft keine neuen Angebote für die Jugendlichen, sondern soll Beratung und Vermittlung verbessern. Bisher gibt es aber noch nicht mal dazu sichtbare Erfolge. Ein neuer Name und eine Neustrukturierung von verschiedenen Trägern unter einem Dach, schafft noch keine bessere Ausgangslage für junge Erwachsene, denn wir haben kein Matchingproblem, dass sich Betriebe und Ausbildungsinteressierte nicht finden, sondern einen erheblichen Mangel an Ausbildungsplätzen. Um die Ausbildungslücke zu schließen, müssten im Land Bremen zwischen 2.200 und 3.000 neue Ausbildungsverträge pro Jahr mehr abgeschlossen werden. Um den Fachkräftebedarf langfristig zu decken und ein wahlfähiges Angebot zu ermöglichen, ist eine Ausbildungsquote von ca. 7 Prozent erforderlich. Dafür müssten im Land Bremen über 6.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden.
Bremer Vereinbarung gescheitert
Gerade wird die Bremer Vereinbarung mit der Laufzeit von 2014 bis 2017 evaluiert. Das Ergebnis ist erschreckend. Die Bremer Vereinbarung ist auf ganzer Linie gescheitert. Hauptziel sollte die deutliche Erhöhung der Ausbildungsplätze von 7100 im Jahr 2013 auf 7800 im Jahr 2017 sein. Im Ergebnis gibt es heute rund 7350 Ausbildungsplätze, also 450 weniger als geplant. Hinzu kommt, dass die geringfügige Erhöhung der Ausbildungsplätze ausschließlich durch mehr schulische Ausbildungen und Ausbildungen im öffentlichen Dienst entstanden ist. Das bedeutet, die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die dualen Ausbildungsplätze sind nicht gestiegen, dafür aber die Zahl der Altbewerber*innen, also der jungen Menschen, die beim ersten Versuch keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und ein Jahr später erneut, um die unzureichenden Plätze konkurrieren. Das sind mittlerweile mehr als 2700 Personen. Weil die Handwerks- und Handelskammer schlechte Presse vermeiden wollen, möchten sie überprüfbare Zielzahlen in der kommenden Bremer Vereinbarung zur Ausbildung komplett streichen. Damit geben sie ganz offiziell ihr Ziel auf, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen und drücken sich vor ihrer Verantwortung!
Für ein Recht auf Ausbildung
Halten wir fest, weder die Ausbildungsgarantie der SPD, noch die Einrichtung der Jugendberufsagentur der rot-grünen Koalition, noch die freiwilligen Zielsetzungen der Kammern in der Bremer Vereinbarung haben die Ausbildungsplatzlücke sichtbar reduziert. Um den eklatanten Ausbildungsplatzmangel zu beheben, brauchen wir ein Recht auf Ausbildung und die Verpflichtung der Regierung, alles zu tun, um jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen. Entscheidend ist dafür, die Zahl der dualen Ausbildungsverträge deutlich zu erhöhen.
Deshalb brauchen wir eine Ausbildungsumlage: Unternehmen, die nicht ausbilden, oder zu wenig ausbilden, müssen eine Abgabe in einen Topf zahlen, aus dem dann Ausbildungsplätze finanziert werden. So kann bei Betrieben, die überdurchschnittlich ausbilden, die Ausbildungsvergütung erstattet werden. Wenn es für Unternehmen teuer ist, nicht auszubilden, steigt der Anreiz das Geld in die Hand zu nehmen und eigene Azubis einzustellen, dadurch entstehen deutlich mehr duale Ausbildungsplätze.
Auf Bundesebene gab es zwei Versuche die Umlage einzuführen, zuletzt 2004. Die Initiative wurde aber im Bundesrat beerdigt. Da der Bund keine Ausbildungsumlage beschlossen hat, klärte der DGB 2014 mithilfe eines Rechtsgutachtens die Möglichkeiten einer Landesausbildungsumlage. Das Gutachten kommt zu dem Schluss: Landesausbildungsumlagen sind möglich! Deshalb braucht es jetzt eine Initiative für Bremen. Wie beim Landesmindestlohn kann Bremen hier zum bundesweiten Vorreiter werden und einen Anstoß für andere Bundesländer geben.
Die Landesausbildungsumlage für Bremen
DIE LINKE in Bremen ist der Überzeugung, dass die Zeit der freiwilligen Vereinbarungen abgelaufen ist. Wir brauchen ein Recht auf Ausbildung für junge Menschen aus sozialer und aus wirtschaftspolitischer Perspektive. Deshalb fordern wir eine Landesausbildungsumlage für Bremen. Wir wollen die Bremer Unternehmen in die Pflicht nehmen auszubilden und die Kosten der Ausbildung endlich gerecht verteilen.
DIE LINKE will eine gesetzliche Landesausbildungsumlage einführen, die einen Rahmen für branchenspezifische Lösungen bietet. Solange es keine branchenspezifischen Lösungen, wie beispielsweise im Baugewerbe gibt, greift die landesgesetzliche Umlage.
DIE LINKE will ein konkretes Konzept für die Ausbildungsumlage in Bremen erarbeiten und Weichen stellen, für die Einführung der Landesausbildungsumlage ab dem Ausbildungsjahr 2019/ 2020.
Für eine Ausbildungsoffensive
In Bremen brauchen wir außerdem eine Ausbildungsoffensive im öffentlichen Dienst und in den schulischen Ausbildungsberufen (wie zum Beispiel Erzieher*innen). Ein Schwerpunkt muss der deutliche Ausbau der Gesundheitsberufe sein, denn hier fehlen bis 2035 bis zu 2500 Fachkräfte. Um die Attraktivität der Berufe Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie zu steigern, muss das Schulgeld für alle Auszubildenden sofort gestrichen werden. Perspektivisch brauchen wir ein Finanzierungssystem für Ausbildungsvergütungen auch in allen schulischen Ausbildungsberufen, damit die Entscheidung für den Beruf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist.
Durch den Dreiklang von Landesausbildungsumlage, Ausbau der schulischen Ausbildung und der Ausbildungsverträge im öffentlichen Dienst, muss es möglich sein, die Ausbildungsplatzlücke in den nächsten Jahren komplett zu schließen und das Recht auf Ausbildung für alle Bremer Jugendlichen umzusetzen!
Die Debatte um das Grundeinkommen kritisch voranbringen
Beschluss des 22. Landesparteitages vom 27. Mai 2018
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht. Dazu beigetragen haben viele freie Initiativen sowie über- und parteiinterne Basis-Gruppierungen bei den Grünen, bei den Linken, in den Wohlfahrts- und Jugendverbänden, in Teilen der Gewerkschaften und in kirchlichen Gruppen. Spätestens seit dem internationalen Medienrummel um die Kampagne zur Einführung eines Grundeinkommens in der Schweiz vor drei Jahren ist das Thema auch hierzulande gesellschaftlich salonfähig geworden. Mittlerweile vergeht in den Massenmedien kaum eine Woche ohne Berichte, Artikel oder Talkshows, in denen es um das Grundeinkommen geht.
Die steigende Popularität des BGE ruft inzwischen auch immer mehr Vertreter des Großkapitals auf den Plan. Auf dem Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos, dem Gipfeltreffen der selbsternannten Wirtschaftseliten und ihrer Steigbügelhalter aus der Politik, stand das Thema im Rahmen eines Panels über Industrie 4.0 mit ganz oben auf der Tagesordnung.
In der LINKEN ist die Grundeinkommensdebatte seit dem Bielefelder Parteitag 2015 nicht wesentlich vorangekommen. Das rächt sich jetzt. An der aktuellen gesellschaftlichen Debatte sollten wir alle ein Interesse haben, egal ob wir jeweils dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) eher befürwortend oder eher skeptisch gegenüberstehen.
Der Landesparteitag fordert daher den Landesvorstand auf, eine Landesmitgliederversammlung zum Thema Grundeinkommen durchzuführen und zusammen mit der LAG Bedingungsloses Grundeinkommen, der AG Betrieb & Gewerkschaft und weiterer AGs die sozialpolitisch in unserem Landesverband tätig sind vorzubereiten.
Abrüsten statt Aufrüsten. Unterstützung für die Unterschriftensammlung des Netzwerks Friedenskooperative
Beschluss des 22. Landesparteitages am 27. Mai 2018
DIE LINKE. Bremen unterstützt die Unterschriftensammlung "Abrüsten statt Aufrüsten" und wirbt an exponierter Stelle auf der Landeswebsite für weitere Unterstützung. Den Mitgliedern wird vorgeschlagen, an Infoständen und an anderer geeigneter Stelle weitere Unterschriften zu sammeln.
DIE LINKE. Bremen spricht sich klar gegen eine Orientierung am NATO-Ziel aus, bis 2024 den Anteil der Rüstungsausgaben auf mindestens 2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu erhöhen und fordert statt dessen klare Schritte zur sukzessiven Verringerung der Militärausgaben. Zudem tritt DIE LINKE. Bremen für ein sofortiges Verbot aller Waffenexporte ein.