Menschlichkeit statt Abschottung - Für sichere Wege und Perspektiven in der Migrationspolitik

Anlässlich der heutigen Abstimmung im Bundesrat zur Einstufung der Republik Moldau und Georgien als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ kritisieren die Landesvorsitzenden der drei regierenden Landesverbände der Partei Die Linke Thüringen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern die Einstufung als Symbolpolitik sowie die Abschottungspolitik und fordern eine humanitäre Migrationspolitik, die unter anderem eine schnellere Integration in Arbeit braucht: 

„Wir kritisieren die Einstufung von Georgien und der Republik Moldau als sogenannte ‚sichere Herkunftsländer‘. Damit wird nichts anderes betrieben als unseriöse Symbolpolitik, die eine Scheindebatte befördert, anstatt Kommunen und Länder bei der Aufnahme von Geflüchteten zu unterstützen oder Menschen, die zu uns kommen, eine sichere Perspektive zu gegeben und sie bei der Integration zu unterstützen. Ganz konkret gegen die Einstufung und das Konstrukt der ‚sicheren Herkunftsländer‘ an sich sprechen eine Vielzahl von Gründen. Ein Status als Beitrittskandidat zur Europäischen Union garantiert nicht, dass Menschen keine politische Verfolgung droht. Das beweist die Türkei als Beitrittskandidat in ihrem Umgang mit Minderheiten und politischen Gegner*innen im eigenen Land ausdrücklich. Weder Georgien noch Moldau haben zudem die volle Hoheit über ihr Staatsgebiet und können damit die Sicherheit von Menschen im ganzen Land nicht gewährleisten.

Dass es sich bei der Einstufung um reine Symbolpolitik handelt, zeigt sich auch sehr deutlich bei den vermeintlich entlastenden Auswirkungen für die Behörden, Kommunen oder Gerichte: Die Verfahrensdauern von Asylantragsstellenden aus Moldau und Georgien sind bereits jetzt deutlich kürzer als bei Menschen, die aus ebenfalls als ‚sichere Herkunftsstaaten‘ eingestuften Ländern wie dem Senegal oder Ghana kommen. Die versprochene Entlastung wird nicht eintreten, einzig und allein werden durch die Beweislastumkehr die Schutzhürden auch für schutzberechtigte Personen wie Angehörige verfolgter Minderheiten noch höher gelegt. Diese Symbolpolitik wird der eigentlichen Herausforderung, vor der wir gemeinsam stehen, nicht gerecht. Sie steht im Widerspruch zu einer humanitären Asyl- und Migrationspolitik. Die Einstufung zeigt auch, wie sehr sich die öffentliche Debatte und die Mehrheit der politischen Akteur*innen auf symbolpolitischen Aktionismus in Asyl- und Migrationsfragen verlagert haben.

Es ist fatal, dass die Ampel und die Mehrheit der Länder meinen, die richtige Antwort auf Flucht und Migrationsbewegungen sei Abschottung und sich dabei von CDU und AfD nach rechts treiben lassen. Dabei geraten zwei wesentliche Aspekte völlig aus dem Blick. Erstens sind Asyl und humanitäre Aufnahme Menschenrechte, die man nicht nach Belieben einschränken kann. Zweitens sind Deutschland und die EU auf Zuwanderung dringend angewiesen, sowohl von Menschen, die vor Not und Verfolgung fliehen als auch von solchen, die hier eine bessere Perspektive für sich suchen. Ohne Zuwanderung wäre in den letzten 20 Jahren die Bevölkerungszahl dramatisch gesunken, mit allen Folgen für Arbeitsmarkt und Sozialversicherungssysteme.

Die Einstufung Moldaus und Georgiens reiht sich ein in die Debatte um die Verschärfung des Aufenthaltsrechts, die Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen und weitere Abschottungsmaßnahmen. Diese Vorschläge und Maßnahmen werden weder den wesentlichen Problemstellungen noch den Maßstäben humanitärer Flüchtlingspolitik gerecht. Statt immer höheren Zäunen an den Außengrenzen oder einem Kürzungskurs der Ampel fordern wir ein Kommunenstärkungsgesetz, dass die notwendigen finanziellen Mittel für die soziale Infrastruktur zur Verfügung stellt. Es braucht ein System der solidarischen Aufnahme und Verteilung von Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung oder den Folgen der Klimakrise und wirtschaftlicher Not. Wir verurteilen den realitätsfernen Versuch, mit einem Überbietungswettbewerb der angekündigten Verschlechterungen Menschen von der Flucht abzuhalten.

Wir sind froh darum, dass es noch immer viele zivilgesellschaftliche Stimmen gibt, die deutlich machen, dass es darum gehen muss, Menschen hier eine sichere und menschenwürdige Zukunft zu geben. Während viele von Abschottung und Verschärfungen sprechen, sind diejenigen umso wichtiger, die sich für Menschenrechte, Integration und Teilhabe einsetzen. Es braucht sichere Bleibe- und Teilhabeperspektiven unter anderem durch Arbeitsaufnahme und gut ausgestattete soziale und öffentliche Daseinsvorsorge für alle. Es gilt das Grundrecht auf Asyl zu verteidigen und das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit zu gewährleisten.

Menschen den Zugang zu Erwerbsarbeit zu verwehren, mit der sie ihren eigenen Lebensunterhalt sicherstellen können, ist nicht nachvollziehbar. Beschäftigungs- oder Arbeitsverbote haben keine positiven Effekte, vielmehr erschweren sie die individuelle und gesellschaftliche Integration. Deshalb müssen Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt abgebaut werden, Arbeitsverbote der Vergangenheit angehören und der sogenannte Spurwechsel aus der Asyl- in die Erwerbsmigration muss ermöglicht werden. Wer als geflüchteter Mensch hergekommen ist, muss das Recht erhalten zu arbeiten und sein oder ihr Leben mit den eigenen Händen zu gestalten. Zum Abbau von Hürden gehört auch, die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen zu vereinfachen. Mit dem Chancenaufenthalt wurden ersten Schritte zur Verbesserung der Lage von Menschen in Ketten-Duldungen gemacht, trotzdem gibt es einen dringenden Verbesserungsbedarf bei den teils unzureichenden Regelungen und eine bislang uneinheitliche Anwendungspraxis durch die Ausländer*innenbehörden in den Kreisen und Kommunen.

Wir fordern eine Migrationspolitik, die auch weiterhin die Schutzbedarfe verfolgter und vulnerabler Gruppen in den Fokus stellt. Deshalb muss verfolgten Jesid*innen der notwendige Status als Flüchtlinge mit Bleibeperspektive gewährt werden. In diesem Zusammenanhang gilt es, Aufnahmeprogramme wie die für Menschen aus Syrien oder Afghanistan durch Unterstützung des Bundes und eine einheitlich Verwaltungs- und Entscheidungspraxis der zuständigen Behörden so umzusetzen, dass Menschen auf sicherem Wege sich und ihre Angehörigen in Schutz und Sicherheit wissen können.

Was es braucht, sind sichere Wege statt sichere Herkunftskonstrukte. Was es braucht, ist ein Recht auf Arbeit statt Arbeitsverbote. Was es braucht, ist eine Politik der Solidarität, die allen zu Gute kommt in diesem Land. Dafür streiten wir!“

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Unterzeichner*innen:

Anna Fischer – Landessprecherin DIE LINKE Bremen
Christoph Spehr – Landessprecher DIE LINKE. Bremen
Ulrike Grosse-Röthig – Landesvorsitzende DIE LINKE. Thüringen
Christian Schaft – Landesvorsitzender DIE LINKE. Thüringen
Peter Ritter – Landesvorsitzender DIE LINKE. Mecklenburg-Vorpommern