Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Ein Kommentar von Landessprecher Christoph Spehr zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts:

Die Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse sind noch gar nicht abzusehen: Für die Ampelkoalition, den Bundeshaushalt, die Klima-Wende, die wirtschaftliche Entwicklung. Was war der Gegenstand, was steht drin im Urteil, was folgt daraus für den Bund und für Bremen?

Anlass war: Die Bundesregierung hatte im Februar 2022 (!) einen Nachtragshaushalt für 2021 beschlossen. Darin hatte sie 60 Mrd. Euro, die aus der Corona-Notlage „übrig“ waren, in den Energie- und Klimafonds (EKF) verschoben. Der EKF wurde später umbenannt in „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) und ist ein Sondervermögen. Diese Verschiebung hat das Gericht jetzt für unzulässig erklärt.

Aus dem KTF werden unter anderem bezahlt: Der Industriestrompreis; die Förderungen für Grünen Stahl, Chipfabriken und Batteriezellen-Fabriken; die Sanierung der Deutschen Bahn; die Förderungen nach dem Heizungsgesetz; die Strompreissenkung durch Wegfall der EEG-Umlage. Die Strom- und Gaspreisbremsen wurden aus einem anderen Fonds bezahlt, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Die sind aber jetzt auch gefährdet. Betroffen sind also sowohl Verbraucher*innen als auch Betriebe, und damit Beschäftigte. (Einen guten Überblick gibt es hier: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ktf-projekte-haushalt-100.html )

Das Gericht sagt: Man kann nicht Geld für die eine Notlage aufnehmen und dann einfach für etwas anderes verwenden, ohne eine erneute Ausnahme von der Schuldenbremse zu beschließen. Genau das wollte die Ampel vermeiden, weil die FDP das nicht mitmachen wollte.

Unangenehmerweise hat sich das Gericht, weil es schon mal dabei war, auch sehr ausführlich dazu geäußert, wie Ausnahmen von der Schuldenbremse gestaltet sein müssen. Wichtig für Bremen: Es gibt keinen Grund, warum eine Ausnahme für die Klimakrise nicht gehen sollte. Das Gericht macht hier auch deutlich, dass die genaue Ausgestaltung von Maßnahmen nicht Sache von Gerichten ist, sondern des Parlaments. Auch ob vorher andere Rücklagen genutzt, Steuern erhöht oder Sparmaßnahmen ergriffen werden müssen, ist ausschließlich Sache des Parlaments. Der Teil ist gut.

Aber: Das Gericht besteht darauf, dass man nicht Geld auf einen Haufen legen kann, das noch gar nicht im Einzelnen verplant ist. Man muss die Notlage ggf. in den Folgejahren jedes Jahr wieder beschließen und die Planung aktualisieren. Das macht alles deutlich noch komplizierter als bisher – vermutlich auch für Bremen.

Das eigentlich Verheerende ist aber das wirtschaftspolitische Signal. Es entsteht der Eindruck, dass Deutschland nicht in der gleichen Weise auf die Transformationskrise reagieren kann, wie das USA oder China tun: Mit großen Kreditaufnahmen für langfristige Programme. Das gefährdet private Investitionen, Unternehmens-Ansiedlungen usw. und kann in eine längere Rezession führen.

Was wäre jetzt notwendig? Die Ampel könnte ihren Verstoß heilen, indem sie für 2023 und dann wieder für 2024 eine außerordentliche Notlage erklärt, die zusätzliche Schulden erlaubt. Dafür reicht eine einfache Mehrheit im Parlament. Bislang lehnt die FDP das ab.

Die geplanten Maßnahmen durch Kürzungen im Haushalt zu finanzieren, ist kaum möglich und wäre total unverantwortlich. Ein solcher Kahlschlag hätte sozialpolitisch, aber auch wirtschaftspolitisch katastrophale Folgen. Das ist aber die Lösung, die FDP und CDU vorschlagen.

Am besten wäre es, die Schuldenbremse jetzt grundsätzlich zu reformieren. Man könnte sie z.B. für die Jahre 2020 bis 2023 aussetzen – dann wären auch alle Bundesländer mit ihren Notlage-Krediten auf der sicheren Seite, einschließlich der aufgenommenen Rücklagen. Man könnte Maßnahmen für Klima-Transformation ausdrücklich von der Schuldenbremse ausnehmen. Oder wieder zur alten Regelung zurückkehren: Investitionen dürfen durch Kredite finanziert werden. Für all das braucht man aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat, also die Zustimmung der CDU. Und die weigert sich.

Die Diskussion zur Schuldenbremse als Wohlstandsbremse ist jetzt breit entbrannt. Darin müssen wir uns einschalten.