DIE LINKE Bremen gedenkt den Opfern der Novemberpogrome 1938

In der Nacht des 9. November 1938 brannten überall im Deutschen Reich die Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden angegriffen, etwa 400  Jüdinnen und Juden wurden ermordet oder in den Suizid getrieben. In Bremen wurden in dieser Nacht die Bremer  Jüdinnen und Juden Martha Goldberg, Adolf Goldberg, Heinrich Rosenblum, Leopold Sinasohn und Selma Swinitzki ermordet. Viele weitere wurden an den drauffolgenden Tagen verhaftet und deportiert. Jedes Jahr am 09. November erinnern wir an diese Nacht, die wir heute Reichspogromnacht nennen und gedenken den Opfern. Diese Nacht markierte eine Zäsur für das jüdische Leben in Deutschland, in Bremen. Jedes Jahr erinnern wir an die Pogrome des November 1938. Jedes Jahr beschwören wir die Formel des „Nie Wieder“. Jedes Jahr betonen wir die historische Verantwortung Deutschlands für jüdisches Leben in Deutschland und weltweit. Aber das vielfältige jüdische Leben im Deutschland der Gegenwart ist nach wie vor kein sicheres Leben, kein selbstverständlicher Bestandteil.

Es ist keine überraschende Krise. Antisemitismus musste nicht erst wieder nach Deutschland „importiert“ werden: er war nie weg und musste sich nicht einmal verstecken. In der Geschichte des postnationalsozialistischen Deutschlands war er allgegenwärtig, ob in der fehlenden Verfolgung und Bestrafung der Täter*innen in der Regierung Adenauer, oder in der Rede Richard von Weizsäckers vom 8. Mai 1985, in der er kurzerhand die deutschen von Täter*innen zu Befreiten machte: diskursiv hat er dieses Land nie verlassen, gewaltsam entladen hat er sich in Momenten wie Halle 2019. Erst kürzlich war der bayrische Landtagswahlkampf überschattet von der Diskussion um den Umgang der antisemitischen Vergangenheit eines Mitglieds der Landesregierung.

Richtig ist aber auch: Unter den vielen Fragen, was es heißt eine Einwanderungsgesellschaft zu sein, rangierte die Frage, wie politische Bildungsarbeit und Gedenkarbeit weiterentwickelt werden müssen, weit hinten. In den letzten Wochen hat sich der Antisemitismus, sei er nun vermeintlich links, rechts, christlich, atheistisch oder islamistisch, in Deutschland, Europa und der Welt so unverhohlen gezeigt, dass auch die, die seit Jahrzehnten die Augen verschlossen haben, seine Anwesenheit nicht mehr leugnen konnten. Gedenkstätten werden angegriffen, eine Jüdin wird in Lyon in ihrer Wohnung niedergestochen, Israelflaggen brennen, jüdische Friedhöfe werden attackiert. Auf den Straßen Essens oder Berlins wird der Wunsch nach der Vernichtung jüdischen Lebens offen gefeiert.

Auslöser dieser gegenwärtigen Welle des Antisemitismus war der brutale Angriff der islamistischen Hamas auf den jüdischen Staat Israel. Ein Angriff, der nicht nur Entsetzen hervorgerufen hat, sondern auch Beifall. Statt globaler Solidarität mit den Opfern und ihren Familien, wird die Reaktion Israels genutzt, um den eigenen Antisemitismus zu legitimieren.

Wir als LINKE in Bremen und Bremerhaven sind uns der Verantwortung bewusst, der sich niemand entziehen darf: Den 9. November 1938 zu erinnern, muss auch in der Gegenwart bedeuten, Antisemitismus konsequent zu bekämpfen und jüdisches Leben zu schützen. Es darf nicht bedeuten, sich hinter Nebelkerzen wie der Phrase vom „importierten Antisemitismus“ zu verstecken und sich nur gegen Antisemitismus einzusetzen, wenn es in die eigenen rassistischen Zuschreibungen passt.          
Wir sind entsetzt über die Versuche, die Erinnerung an die Shoa zu missbrauchen, um den eigenen Antisemitismus als Kritik am isrealischen Staat zu maskieren: Wer Israel einen Genozid oder gar Holocaust an der palästinensischen Bevölkerung unterstellt, die Mär vom Apartheitsstaat oder „Freiluftgefängnis“ reproduziert oder mit der Forderung „from the river to the sea...“ nichts anderes meint, als den gezielten Mord an Jüdinnen und Juden, demjenigen ging es nie um berechtige Sorge um palästinische Zivilbevölkerung. Vielmehr ist es schlicht Ausdruck schlecht getarnten Antisemitismus, egal ob von links, von rechts, aus dem Islamismus oder in bester deutscher Tradition: aus der Mitte der Gesellschaft.