Axel Troost: Ein linker Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit
Ein Nachruf von Prof. Dr. Rudolf Hickel:
Axel Troost hat den Kampf gegen eine heimtückische Krankheit nicht gewonnen. Im wahrsten Sinne des Wortes ist er mitten aus der wissenschaftlichen und politischen Arbeit herausgerissen worden. Noch vom Krankenbett aus hatte er sein neues Buchprojekt über das soziale Gift Inflation im Kopf. Auch war schon die Einladung der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik zur Arbeit am neuen „Memorandum 2023“ in der Ver.di-Bildungsstätte „Buntes Haus“ fertig. Übrigens, sein begnadetes Organisationstalent hat die Memo-Gruppe gegen alle Widrigkeiten zusammengehalten. Drei Mal im Jahr rief er die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ nach Sennestadt. Hinzu kam die jährliche Sommerschule, bei der die Memo-Positionen im Rahmen eines interaktiven Bildungsseminars aufgearbeitet wurden. Viele andere Aktivitäten wie beispielsweise die Gründung und Arbeit des „Institut soziale Moderne“ kamen hinzu.
Axel Troost war im besten Sinne ein moderner linker Polit-Ökonom. Gegenüber der oftmals mit herrschenden Interessen verknüpften neoliberalen „Mainstream Economics“ ging es ihm um eine Wissenschaft, die einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Wirtschaft dient. Als Wissenschaftler war ihm durchaus die Marxsche Analyse der kapitalistischen Gesellschaft mit dem systemischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit wichtig. Allerdings wandte er sich gegen die Naivität, heutige Erfordernisse eins zu eins daraus abzuleiten. Gegen die Praxis gestanzter linker Gewissheiten hat er seine Theorie des Kapitalismus empirisch fundiert und den realen Verhältnissen angemessen selbständig weiterentwickelt. Diese dialogische Offenheit brachte ihm auch viel Anerkennung vom politischen Gegenüber ein.
Wissenschaft als abgeschiedene Veranstaltung im universitären Elfenbeinturm hat er verpönt. Vielmehr ist sie verpflichtet, der gerechten und ökologisch verantwortlichen Gesellschaft zu dienen. Und dazu gehört auch der Mut zum politischen Engagement. Er war bei der Gründung der Wahlalternative „Arbeit & soziale Gerechtigkeit“ dabei. Nach der Verschmelzung innerhalb der Partei „Die Linke“ übernahm er ein Bundestagsmandat (2005-2017 und 2021) und brachte seine hoch geschätzte Fachkompetenz im Finanzausschuss ein. Aber sein Parteiengagement reichte ihm nicht. Er verknüpfte sein Abgeordnetenmandat mit Aktivitäten in außerparlamentarischen Bewegungen. Neben seinem Engagement als Geschäftsführer der Memo-Gruppe war er auch als Manager kritischer wirtschaftswissenschaftlicher Beratung tätig. Dazu zählte die Gründung des „Progress-Instituts für Wirtschaftsforschung (PIW)“, das auch Forschungsprojekte zu Bremer Themen durchführte. Sein Engagement für die nach der deutschen Einigung erforderliche Wirtschaftsstrukturpolitik konzentrierte sich auf das „Büro für Strukturforschung“ in Rostock.
Wissenschaftlich und politisch wirksam hinterlässt Axel Troost bedeutsame Erkenntnisse und nachwirkende Erfolge:
- Bereits in seiner epochalen Dissertation über die ökonomisch-fiskalischen Grundlagen der Staatsverschuldung, die er 1982 aus Marburg an die Universität Bremen mitbrachte, hat er seiner Zeit weit voraus die Weichen der Kritik an der Schuldenbremse gestellt.
- An der Universität Bremen war er maßgeblich im Forschungsprojekt zur Reform des Finanzsystems des föderalen Bundesstaates aktiv. Dieses Thema griff er als Bundestagsabgeordneter in den Kommissionen „Föderalismusreform I und II“ zur verfassungsrechtlichen Umgestaltung der Finanzordnung wieder auf. Allerdings konnte er die Schuldenbremse, seiner Zeit mit der Kritik weit voraus, gegen den damals übermächtigen neoliberalen Zeitgeist nicht verhindern.
- Sein Einfluss auf die Umsetzung zumindest einiger Regulierungen auf den Finanzmärkten nach dem Beinahezusammenbruch des Finanzsystems (2008/2009) ist unbestreitbar. Als Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat er sich für einen stärkeren Verbraucherschutz sowie die Bändigung der komplett unverantwortlich eingesetzten Macht der Banken eingesetzt. Hierzu bekam er viel Zustimmung von Kolleginnen und Kollegen vor allem aus der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen.
- In den letzten Monaten konzentrierte sich seine Arbeit auf die Ursachen und die sozial spalterische Wirkung der Inflation zu Lasten vor allem der Armen und unteren Einkommensbezieher. Während in der allgemeinen öffentlichen Debatte der importiere Angebotsschock über die Energiepreise betont wurde, hat er auch die monopolistische Preistreiberei kritisiert. Gegen das Szenario von der „Lohn-Preis-Spirale“ sprach er von der durch die Marktmachtunternehmen getriebenen „Preis-Preis-Spirale“ und damit dem neuen Typ einer „Gierflation“.
Axel Troost hat für seine Positionen mit unterschiedlichen Medien geworben. Eine Vielzahl von Publikationen sind in seiner Funktion als „Senior Fellow für Wirtschafts- und Europapolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) veröffentlicht worden. Hinzu kommen seine medialen Auftritte. Auch in den durch die Corona-Krise verhinderten Präsenzveranstaltungen war er per Video-Übertragung in der Diskussion. Was jetzt schon fehlt, ist sein Newsletter an über eintausend Personen. Bei den sonst sehr schwer zugänglichen Texten, die der Newsletter anbot, wurden auch schon mal nur sehr eingeschränkt zugängliche Positionspapiere der Bundesregierung und Ministerien angeboten.
Axel Troost gehört zu der Spezies für eine moderne linke Polit-Ökonomie, die sich nicht zu schade sind, auch kleine Reformschritte zu wagen. Dies bewies er vor allem mit seinem Einfluss auf die reformierte Regulierung der Finanzmärkte. Ihn konnte der Vorwurf, das sei alles nur ein trostloser Inkrementalismus, der am Ende die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse stabilisiert, nicht erschüttern. Es ging ihm, wie es einmal Karl Marx zu den (kleinsten) Erfolgen der Lohnpolitik geschrieben hat „um den Sieg des Prinzips“. Dieser linke Pragmatismus hat jedoch nichts mit Opportunismus zu tun. Er erreichte damit auch eine Dialogfähigkeit zugunsten linker Positionen.
Oftmals kam die Frage auf, woher Axel Troost die Kraft für sein gigantisches Engagement für eine gerechte Gesellschaft ohne disziplinierende Machtkonzentration nimmt. Selbst wenn er mal poltern musste, Humanität prägte durch und durch seinen Charakter. Viele werden sich jetzt erinnern, dass er gerade denjenigen, die in prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen wurden, geholfen hat. Seine Kraft schöpfte er aus seiner geliebten Familie, seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn.
Axel Troost ist nicht mehr unter uns. Allerdings gilt dies nicht für sein Werk, das er uns hinterlassen hat. Nicht nur die Linke in Deutschland kann von ihm, der seine Gegner allerdings im rationalen Diskurs respektiert hat, lernen. Es wird zwar sehr schwer, aber die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ muss und will auch in seinem Geiste die Arbeit für linke Wirtschaftspolitik fortsetzen.