Tarifverhandlungen Öffentlicher Dienst: Guter, schmerzhafter oder abzulehnender Kompromiss?

Die Tarifauseinandersetzung im öD (Kommunen und Bund) scheint beendet; in der Nacht zum Sonntag, 23.4., haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber (also hier die Regierenden aus Bund, vertreten durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sowie der Kommunen, Karin Welge, OB aus Gelsenkirchen, auch SPD) geeinigt. Ob dies ein guter, schmerzhafter oder doch besser abzulehnender Kompromiss ist, darüber werden nun die Mitglieder diskutieren und in einer digitalen Befragung bis zum 12. Mai voten, bevor dann am 15.5. die Bundestarifkommission von verdi entscheidet.

Hierzu erklärt Christian Gloede, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Partei DIE LINKE in Bremen:

"Möglicherweise war nicht mehr drin. Größter Schwachpunkt der Tarifeinigung ist, dass die Einmalzahlungen bis einschließlich Februar 2024 keine Nachhaltigkeit bzgl. der Rente hat und keine Rolle bei den weiteren Lohnzuwächsen in Folgeverhandlungen ab 2025 spielt. Zweiter Schwachpunkt: Auch die Inflationsprämie wird Teilzeitbeschäftigten nur anteilig ausgezahlt. Damit entfällt bis zum Februar 2024 im Prinzip die soziale Komponente des Tarifabschlusses. Darüber täuscht auch nicht hinweg, dass sich 220€ netto bei Menschen im niedrigeren Lohnbereich anders auswirken als bei besser Verdienenden."

Gerade Menschen in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit würden hier durch 14monatige Einmalzahlungen um die Möglichkeit einer Aufbesserung ihrer Rente gebracht. Und die "Lohnsprünge" im März 2024 fielen, gemessen an der langen Wartezeit/Laufzeit, auch recht bescheiden aus. Ob dieser Tarifabschluss nun eine deutlich Attraktivitätssteigerung des öD bedeute, dürfe bezweifelt werden. 

Insbesondere stelle er für viele wohl keine substanzielle Verbesserung der Arbeitsbedingungen dar, so Gloede weiter.

"Da nicht davon auszugehen ist, dass eine ausreichende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für eine Urabstimmung/unbefristeten Streik stimmt, gilt es nun bereits, die nächsten Tarifrunden inhaltlich vorzubereiten. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Debatten zur Zeitsouveränität wird das Thema Arbeitszeit stärker in den Fokus treten müssen, wenn Gewerkschaften attraktiv bleiben wollen. Dass dies nicht mit Lohnkürzungen einhergehen darf, versteht sich von selbst,“ so Gloede abschließend.

Zum Ergebnis im Einzelnen:

Im Kern wurde das Schlichtungsergebnis aus der Nach-Osterwoche übernommen, also:

1. Im Juni 1240€ Inflationsausgleichsprämie (IAP) als steuer- und sozialabgabenfreie Einmalzahlung (also brutto=netto) 2. von Juli 2023 bis Februar 2024 jeweils 220€ monatliche IAP.

Hinweis: Die IAP für Auszubildende, Studierende und Praktikant*innen wird jeweils hälftig, für Teilzeitbeschäftigte anteilig gezahlt.

3. Im März 2024 gibt es auf die Tabellenwerte zunächst 200€ und dann 5,5% drauf. Dies macht dann (aufgrund des Sockels von 200€ und der unterschiedlichen Wirkung je nach Grundgehalt) eine prozentuale Lohnsteigerung bis hin zu 16,8% aus, berechnet auf die Tabellenwerte vom Januar 2023!

4. Auszubildende etc. erhalten 150€; Zulagen und Zuschläge erhöhen sich um 11,5% (errechnete Durchschnittserhöhung).

5. Laufzeit bis 31.12.2024 (24 Monate)!